
"Was trinkst du da?" - "Chanel Nr. 5". Der Dialog, der da so leichthändig zwei Süchte auf einen Nenner bringt - Mode und Alkohol - ist nicht aus dem neuen "Zoolander"-Film. Er ist aus der britischen TV-Serie "Absolutely Fabulous". Die arbeitete sich in den 90ern mit bösem britischen Humor gnadenlos an Lifestyle-Klischees ab. Im Mittelpunkt standen die etwas zu pummelige PR-"Lady" Edina und Patsy, die irgendeine sehr ruhende Funktion in einem Modemagazin hat, die sie aber mit genug Geld für ihren legeren Medikamenten- und Alkoholkonsum versorgt. Der hält wenigstens schlank, ein immer wiederkehrender Topos der Modesatire grundsätzlich und dieser im Besonderen: "Patsy hat seit 1974 nichts mehr gegessen", erklärt Edina einmal. "Doch, einen Chip, Darling, einen Chip", erwidert Patsy.
Die zynische Radikalität von "Absolutely Fabulous" fehlt "Zoolander Nr. 2" leider. Dabei hatte der erste Teil der Fashion-Persiflage noch mehr Biss. Immerhin sollte in einem Komplott der gesamten Modeelite der malaysische Präsident ermordet werden, denn er will die Löhne erhöhen für die Billigarbeitskräfte, die mit ihren geschickten Kinderhänden Säume für exzentrische Entwürfe nähen. In dem Film gab es noch Szenen, in denen die beiden Models Schrägstrich Spezialdeppen Derek Zoolander (Ben Stiller) und Hansel (Owen Wilson) eine junge Frau herzhaft grausam auslachen, als sie ihre Bulimie gesteht. Außerdem starben drei männliche Models in der ultimativen Konsequenz ihrer durchs Hirn wabernden Leere bei einer sexy Benzindusche mit anschließend kokett angezündeter Zigarette. Die Missgeschicke im neuen Film sind vergleichsweise harmlos, aber zeitgeistig: Der Selfiestick, neueste Todesfalle der Menschheit, hat einen folgenschweren Auftritt.
Lagerfeld ziert sich
Aber weil der Film weichgespült ist, vereint er wohl die meisten Topdesigner seit der "Vogue"-Dokumentation "The September Issue". Kaliber wie Marc Jacobs und Tommy Hilfiger wissen, dass auch Selbstironie ein hübsches Accessoire ist, das sich gut verkauft. Nur Karl Lagerfeld nicht, der hat sich geweigert. Valentino ging einen Schritt weiter: Seine römische Boutique dient in "Zoolander 2" als versteckter Zugang zur Modepolizei. Der Höhepunkt einer Zusammenarbeit, die mit der stilechten Ankündigung des Films bei einer Valentino-Schau begonnen hat, bei der Zoolander und Hansel über den Laufsteg defilierten. Bei einer anderen PR-Aktion posierten die zwei in den Schaufenstern einer Valentino-Filiale, zum Gaudium der Passanten.
Man kann darüber streiten, ob solche Kooperationen für eine beißende Satire (zumal ausgerechnet über Konsumkultur) eher zerstörerische Anbiederung ist -oder besonders raffiniert eingeschleuste Kritik. Ersticken durch Umarmen, sozusagen. Immerhin hat schon Regiemeister Robert Altman dieses Stilmittel genutzt. Mit "Prêt à Porter" hat er sich 1994 über den schönen Schein der Haute Couture (für Mensch und Hund) lustig gemacht. Auch hier traten Jean-Paul Gaultier oder Sonia Rykiel als sie selbst auf.
Fixelemente aus dem Fundus der Modesatire sind groteske Auswüchse der Kreativität - Kollektionen, die sich an Obdachlosen oder Junkies inspirieren etwa. Diese Absurditäten spießt bereits ein Film des Fotografen William Klein aus den 60ern auf: "Wer sind Sie, Polly Maggoo?". Ein junges Mannequin wird hier bei der Arbeit beobachtet -bei einer Modeschau, die so weit von "Prêt à Porter", also sofort tragbar, entfernt ist, dass sich ein Model an seiner metallenen Kleidung verletzt.
Ein Manko der "Zoolander"-Fortsetzung ist, dass man hier so viele Angriffs-Chancen verschenkt sieht. In den vergangenen Jahren haben sich die bösartig verwertbaren Klischees in der Modewelt erheblich vermehrt. Modeblogger haben große Macht erworben, keiner versteht so ganz, warum. Hohle Pseudointellektualität ist schon länger der neue heiße Scheiß. Man schreibt sich Diversität auf die Fahnen, indem man ein Mädchen mit Hautkrankheit zum Topmodel kürt oder ein, zwei Mal jemanden im Rollstuhl über den Laufsteg fahren lässt.
Überschaubare Mimik
Wenig davon greift "Zoolander 2" auf. Es mag daran liegen, dass Moden immer schnell gewechselt haben, und in unserer internetgetriebenen Zeit noch rasanter. Eine Filmproduktion kann nicht sehr schnell reagieren. Deswegen findet man die besten Satiren auch im Netz. Da werden Modeblogger, ihre mitunter albernen Posen und ihr Hang zum pseudo-uncoolen Secondhand-Style nach Strich und Faden veralbert. Etwa wenn "Fashiondads" ein Foto ihrer alten Sportschuhe kommentieren mit "Schuhwerk ist immens wichtig für jeden Look" (inklusive Hashtag #ComfortComesFirst). Die Stylistin Natalie Croquet nutzt dieselbe Plattform, das Trendsprachrohr Instagram, um sich selbst so zu inszenieren, wie Models auf High-Fashion-Inseraten präsentiert werden. Das ist nicht nur sehr amüsant, weil sie sichtlich mehr als einen Chip in Jahrzehnten isst, sondern auch, weil sie das überschaubare Mimik-Arsenal der Models nahezu liebevoll karikiert.
Fotograf Matthew Frost macht sich mit Clips über Zeitphänomene wie Starkult und Selfiesucht lustig. Im "Fashion Film" reiht er visuelle Klischees der Modewerbung aneinander: Von manikürten Fingern, die ein angeregnetes Fenster entlangstreifen zu verträumten Blicken unter Blumenkranz und freiem Himmel. Das bedeutungsschwere Rezitieren von sinnentleerten Phrasen - Paradebeispiel dafür war ein Werbespot für Chanel Nr. 5 mit Brad Pitt, in dem er mit beseeltem Blick sagte: "Die Welt dreht sich und wir drehen uns mit ihr" - parodiert ein Video von Mercedes Benz für die Berliner Fashion Week 2015. Da scheint Justin OShea, Chef-Einkäufer eines Luxus-Onlinestores, ein seltsames Fieber gepackt zu haben. Unter anderem beginnt er plötzlich in Schwarz-Weiß in Zeitlupe zu gehen.
Er befolgt wahrscheinlich nur einen Rat von Miss Piggy, der lautet: "Gehe immer so, als wärst du auf dem Laufsteg". Das stylische Schwein gilt naturgemäß als Pionierin der "embedded Fashion-Satire". Wäre sie am Wort, würde sie jetzt - mit ironisch-wissendem Einblick in das Business - schreiben: "An alle Designer, die hier nicht vorkommen: Schicken Sie mir etwas aus ihrer Kollektion, dann werde ich Sie demnächst auch erwähnen!"