
Nicolas Winding-Refn ist ein Unbeirrbarer. Einer, dessen Kompromisslosigkeit ihn zum Lust- aber auch zum Hassobjekt vieler Cinephiler macht. Mit "Drive" setzte er sich 2011 auf die Landkarte eines stilistisch imposanten Kinos voller detailliert entwickelter Bilder, die aus der Masse hervorstechen. 2013 sorgte "Only God Forgives" für Unverständnis und radikale Abneigung, doch der Däne ließ sich nicht von seinem Weg abbringen und legt mit "The Neon Demon" wieder ein kraftvolles Zeugnis seiner Kunst ab: Der Film folgt dem blutjungen Model Jesse (Elle Fanning), das von der Provinz nach Los Angeles kommt, in der Hoffnung, die große Karriere machen zu können. Doch bald schon bemerkt sie, dass es nicht alle Menschen, die ihr schöntun, auch gut mit ihr meinen. "The Neon Demon" ist als ultrastylishe Fleischbeschau einerseits und als elegant gefilmter Horrortrip andererseits vor allem darauf aus, das zu zelebrieren, worauf es in der Modelwelt ankommt: das Abbild von Schönheit.
"Wiener Zeitung": Ihr Filme wirken in ihrer stilistischen Radikalität ein wenig, als würden Sie sie absichtlich gegen das Establishment des Kunstbetriebs entwerfen.
Nicolas Winding-Refn: Das Establishment sind die Klassiker und ich vertrete den Modernismus. Mir geht es um die Erfindung von etwas Neuem und die Anerkennung der Evolution. Die Idee, dass jeder von uns irgendwann seine eigene Stimme finden kann. Das Problem ist, dass die Klassiker manchmal zu lange an der Spitze bleiben. Als ich mit "Drive" nach Cannes kam, gab es viele Leute, die den Film nicht mochten, weil es ein Film aus der Zukunft war. Mit "Only God Forgives" war es dasselbe. Und "The Neon Demon" kommt aus einer noch viel ferneren Zukunft.

Was meinen Sie mit Zukunft?
Es geht um eine visuellere Erzählweise, die dem Medium seine Kreativität in all ihren Möglichkeiten belässt. Dahinter steckt die Idee, dass der Modernismus schon immer die Klassiker zerstört hat, weil die Klassiker nicht aus ihrer eigenen Evolution ausbrechen konnten. Kreativität muss aber beständig atmen können, um zu einer organischen Erfahrung werden zu können. Wir können und dürfen nicht mehr unter ihrer Einschränkung leben. Gerade im Kino ist die Kreativität derzeit in einem sehr kritischen Zustand.