Faire Produktion, nachhaltig hergestellte Lebensmittel, umweltschonende Elektroautos - so kann jeder Einzelne die Welt retten. Soll man zumindest glauben. Doch
dahinter verbirgt sich eine gefährliche Lüge. Dokumentarfilmer Werner Boote begibt sich in "The Green Lie" (zurzeit in unseren
Kinos) gemeinsam mit der konzernkritischen Expertin Kathrin Hartmann auf die Suche nach der Wahrheit hinter dem Begriff Nachhaltigkeit. Denn eines ist klar:
Die Lüge beginnt schon beim "nachhaltig produzierten Palmöl".

"Wiener Zeitung": Haben Sie schon gefrühstückt?

Werner Boote: Noch nicht. Nur diesen Kaffee hier.

Der ist sicherlich nicht Faire-Trade. Achten Sie privat auf die Qualität der Produkte?

Ich passe darauf auf. Es ist aber eigentlich nicht möglich, wie ich auch im Film zu vermitteln versuche, dass man sich in allem auskennt. Man kann nicht vor dem Einkaufen über den Klimawandel alles wissen oder noch schnell Arbeitsrecht und Transportwesen studieren. Und dann kommt hoffentlich der Moment, in dem man sich denkt: Wie absurd ist das denn? Es kann doch nicht sein, dass Produkte, die auf dermaßen menschenverachtende und umweltschädliche Weise hergestellt werden, überhaupt auf dem Markt kommen. Wir haben doch ein Recht darauf, dass Waren nicht irgendwo den Menschen Land und Wasser rauben, oder Kinder zum Arbeiten zwingen. Die Grüne Lüge ist der Schmäh, dass man uns zu Schuldigen macht und die ganze Verantwortung zuschiebt. Die wir aber gar nicht haben können. Der Diskurs, den ich in Gang setzen will, soll Druck auf Konzerne und Politik ausüben.

Der US-amerikanische Kapitalismuskritiker Noam Chomsky sagt in der Doku, dass man das System verändern muss. Ist das realistisch?

Damit haben wir Konsumenten noch unsere Probleme, das hatte ich auch. Aber es geht sich aus.

Wie soll das funktionieren?

Ich habe genauso reagiert: Wir machen jetzt ein neues System und alles wird gut. Wie geht das denn? Chomsky sagt: "Alle Veränderungen haben ihre Zeit gebraucht, sind aber von uns in Bewegung gebracht worden." Zuerst war die große Industrialisierungswelle, dann sind die Menschen daraufgekommen, dass dies auf Kosten der Umwelt geht - ungefähr in den 70er Jahren. Da haben die Konzerne dann mit ihrem Greenwashing begonnen. Plötzlich stand auf den Produkten, wie lieb sie doch sind und wie wertvoll ihnen Natur und Mensch sind. Das haben wir uns jahrzehntelang einreden lassen und haben diese Verantwortung auf uns genommen. Jetzt ist der Moment, in dem man weiß, dass die Situation untragbar ist und anders geregelt werden muss.