"Für die Enkerln, richtig?", fragt der Verkäufer. "Ja, wir suchen für ein junges Paar", antworten Bruno und Rosa. Beide sind über 80 und auf Shoppingtour im Möbelhaus. Sie haben nicht gelogen: Sie suchen ein Bett für das junge Paar: für sich selbst.

Rosa und Bruno haben sich auf ihre alten Tage frisch verliebt, sie fühlen sich wie Teenager, wenn sie sich küssen. Dabei steht ihnen alles Erdenkliche im Wege: Rosa hat Krebs und wird nur mehr wenige Monate leben. Bruno verlässt für Rosa seine Frau und wird von seinem Sohn daraufhin entmündigt. Der Arzt stellt später fest: "Sie sind vielleicht verliebt, aber sicher nicht dement." Einfach wird es für die von Christine Ostermayer und Karl Merkatz verkörperten Liebenden nicht. Die Krankheit, die Pflege, das Gerede. Doch warum sollte sie das kümmern? Wo sie für die Gesellschaft sowieso unsichtbar sind, diese alten Menschen.
Sabine Hiebler und Gerhard Ertl wollen in "Anfang 80" (ab Freitag im Kino) zeigen, dass alte Menschen sexuelle Gefühle haben, und dass Emotionen nie aufhören. Gedreht wurde in St. Pölten, einer Stadt, die ungefähr genauso selten im Kino vorkommt, wie das Thema "Sex im Alter". Doch das ändert sich langsam.
Nicht nur Bingo
Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass sich seniorenhafte Lebensfreuden nicht in der wöchentlichen Bingo-Runde erschöpfen. Das Tabuthema ist aufgebrochen worden, wohl auch, weil jetzt genau jene Generation in die Rentnerjahre gelangt, die schon einmal eine sexuelle Revolution ausgelöst hat: die 68er. Sie wollen ihr Liebesleben thematisieren, das sie auch dank sexfördernder Erfindungen wie Viagra bis ins hohe Alter aufrechterhalten.
Das Bild von alten Menschen beim Sex war bisher aber gesellschaftlich ausgeblendet. "Wer will schon Oma und Opa beim Sex zusehen?", fragt der deutsche Regisseur Andreas Dresen, der 2008 mit "Wolke 9" einen sehr expliziten Film über Sex und Liebe im Alter gemacht hat. Die Gesellschaft ist heute voll und ganz auf Jugendlichkeit ausgerichtet, in der faltenzerfurchte Gesichter und hängende Brüste keinen Platz haben. Selbst die Wissenschaft widmet sich erst seit kurzer Zeit dem Thema. Sexuelle Verhaltensweisen wurden bisher eher an jüngeren Menschen untersucht. Dabei haben Studien ergeben: Gerade alte Menschen mit festem Partner haben auch im hohen Alter regelmäßig Sex.
Das Kino greift dieses einstige Tabu-Thema nun auf: Michael Hanekes "LAmour", der gerade fertiggestellt wird, hat ebenfalls die Liebe zwischen zwei alten Menschen zum Thema; ein pensioniertes Musiklehrer-Ehepaar (Jean-Louis Trintignant, Emmanuelle Riva) sieht seine Beziehung nach dem Schlaganfall der Ehefrau auf eine harte Probe gestellt.
In "Satte Farben vor Schwarz" (2009) droht die Liebe eines Paares (Senta Berger, Bruno Ganz) durch die Diagnose Prostatakrebs ebenfalls zu zerbrechen. Liebe und Krankheit, die Drastik des bevorstehenden Todes, das sind die Beigaben, die diese Filme gemein haben. Des Menschen Endlichkeit ist ihr eigentliches Thema, die Erzählung vom Weg dorthin ihr Antrieb. Körperliche und seelische Freuden trotzen dieser Endlichkeit, und das Sterben wird oft als Erlösung inszeniert, wie auch in "Anfang 80".
In Andreas Dresens filmischem Kleinod "Wolke 9" beginnt eine verheiratete Frau eine Affäre mit einem anderen Mann. Da sind beide schon weit über 70. Dresen scheute sich nicht davor, alte Menschen beim Sex zu zeigen: "Im Fernsehen wirken solche Bilder verkleistert. Sepiagefärbte, klavierbegleitete Bilder, meistens unter dem Leintuch, und dazu die Großaufnahme einer Hand, die über einen Rücken streichelt. Das finde ich ätzend", sagt Dresen. "Es war schade, dass es über Sex und Leidenschaft im Alter keinen Film gab, weshalb ich eine Liebesgeschichte mit alten Leuten machen wollte, so als ob es junge Leute wären, denn letztlich machen sie nichts anderes, nur dass man es ihnen nicht zubilligt."
"Anfang 80", der jüngste Film zu diesem Thema, ist ein Plädoyer für Selbstbestimmung und Freiheit und zeigt, dass Sexualität niemals endet. Ein Film wie ein kleiner Aufbruch; St. Pölten dürfte Zukunft haben.