(greu) Es ist das nackte Grauen, das einen angesichts dieser Briefe packt. Und zwar nicht, weil darin entweder besonders schönfärberisch oder - anders herum - besonders hetzerisch und gehässig fabuliert würde. Nein, es sind die Phrasen eines ganz normalen Durchschnittsbürgers, der sich um Familie, Kinder oder seine Mitarbeiter (in diesem Fall die Soldaten an der Front) sorgt. Das Böse schreibt jetzt schöne Briefe.

Basierend auf privaten Briefwechseln, Tagebucheinträgen und persönlichen Notizen entwirft Regisseurin Vanessa Lapa ein Psychogramm Heinrich Himmlers, den die Welt als "Architekt des Holocaust" kennt.

Aus dem Himmler-Nachlass


Ein in Tel Aviv lebender Maler kaufte Himmlers Nachlass 1945 von US-Soldaten. Nach dem Tod des Künstlers überließ dessen Sohn Lapas Vater die Unterlagen - unter der Bedingung, dass seine Tochter aus diesem Material einen Dokumentarfilm macht.

"Der Anständige" ist das nüchterne, zugleich aufwühlende Resultat dieser Forschung am ganz normalen Bösen. Lapa legt komplexe Mechanismen frei, die zeigen, wie der Umstand, dass der Massenmörder auch Familienmensch war, mehr als nur ambivalente Gefühle in uns auslöst.

"Heini", so wurde Himmler von seiner Frau genannt, kümmerte sich rührend um seine Familie und seine Kinder, während er andernorts die kaltblütige Ermordung von Millionen Juden plante. Stefan Ruzowitzky hat diesen scheinbaren Widerspruch in "Das radikal Böse" bereits an Soldaten nachgewiesen, jetzt zeigt Lapa eindringlich, wie relativ das Böse ist. Böse ist nämlich nur, was wir dafür halten.

DOKUMENTARFILM

Der Anständige, Ö/D/ISR 2014

Regie: Vanessa Lapa.