Jedes Jahr ist Beethoven-Jahr. Keine Konzertsaison, kein Musikfestival und kaum ein Opernhaus kommen ohne die Klassiker des Klassikers aus. Aber 2020, das Jahr des 250. Geburtstags, zeigt: Ein bisserl mehr geht immer. Besonders in seiner Wahlheimat Wien, aber auch in ganz Österreich wird der Komponist in Konzerten, Opernabenden, in Ausstellungen und Sonderformaten geehrt.
Dabei ist das ganze Ausmaß der Feierlichkeiten derzeit noch gar nicht abzuschätzen: Die meisten Sommerfestivals, aber auch die Häuser haben ihre Programme für die zweite Jahreshälfte noch nicht bekannt gegeben. Nachdem der eigentliche Geburtstag in den Dezember fällt, ist aber gerade da mit besonderer Dichte zu rechnen. Und schon im ersten Halbjahr verzeichnet man Beethoven-Maxima.
Eine besondere Rolle im Leben des Komponisten kommt dem Theater an der Wien zu, wo er als Hauskomponist nicht nur zahlreiche seiner Werke herausbrachte, sondern zeitweise auch in einer Dienstwohnung lebte. Am Uraufführungsort lässt man es sich natürlich nicht nehmen, den "Fidelio" - in seiner zweiten Fassung aus 1806 - auf die Bühne zu bringen. Mit der Verpflichtung von Hollywoodstar Christoph Waltz als Regisseur und Manfred Honeck als Dirigent hat man hohe Erwartungen geweckt. Darüber hinaus wurde mit "Egmont" bei Christian Jost eine Uraufführung in Auftrag gegeben, die sich über das gemeinsame, titelgebende Thema mit mehreren Beethoven-Motiven beschäftigt.
An der Staatsoper gibt es den "Fidelio" gleich doppelt. Amelie Niermeyer gestaltet eine Urfassung ("Leonore"), Premiere ist am 1. Februar. Das ist insofern speziell, weil die Urfassung, die damals am Theater an der Wien uraufgeführt wurde, bisher nie am Ring zu hören war. Dafür läuft hier seit 1970 die sehr erfolgreiche Inszenierung der dritten und letzten "Fidelio"-Fassung von Otto Schenk - und wird im April in einer Traumbesetzung von Andreas Schager (Florestan) über Tomas Konieczny (Don Pizzaro) bis Günther Groissböck (Rocco) gespielt. Rund um die "Leonoren"-Premiere findet am 1. und 2. Februar zudem ein vierteiliger Beethoven-Liederzyklus an der Staatsoper statt.
Im Musikverein, wo gleichzeitig mit dem Beethoven-Jahr auch das eigene 150-Jahr-Jubiläum ansteht, wird Beethoven schon im traditionellen Neujahrskonzert Thema sein - sowie einige Tage später beim Festkonzert, indem das Programm vom Eröffnungskonzert 1870 wiederholt wird (darunter Beethovens "Egmont"-Ouvertüre und die Fünfte). Beethoven-Experten hat man für die zahlreichen Zyklen verpflichtet: Die Wiener Philharmoniker spielen ihren Symphonienzyklus mit Andris Nelsons - der auch das Neujahrskonzert leitet - mit allen Neun zwischen 23. Mai und 7. Juni. Rudolf Buchbinder vollendet seinen Klavierkonzert-Zyklus mit einer ausgesuchten Orchesterschar zwischen Gewandhausorchester, BR, Münchner und Wiener Philharmoniker sowie den Dresdnern unter Thielemann. Insgesamt acht Konzerte mit Beethovens-Solosonaten absolviert Daniel Barenboim zwischen 21. Mai und 7. Juni.
Ebenfalls eine Wiederholung eines gewaltigen historischen Konzertereignisses steht im Konzerthaus an: Am 11. Jänner bringen die Wiener Symphoniker unter Philippe Jordan die Rekonstruktion der musikalischen Akademie aus 1808. Am Programm damals und heute: Die Symphonien Nr. 5 und 6, die Chorfantasie, Teile aus der C-Dur-Messe und das Klavierkonzert Nr. 4. Im März holt man sich für den besonderen Beethoven-Symphonienzyklus dann Teodor Currentzis und sein musicAeterna Orchester, wobei einige Konzerte nicht Currentzis, sondern Giovanni Antonini dirigieren wird. Überflüssig zu erwähnen, dass Beethoven-Werke im Sommerhalbjahr von Musikverein und Konzerthaus auch sonst überdurchschnittlich häufig am Programm stehen - auch mit Kammermusik, in Kinderkonzerten und allerlei weiteren Formaten.
Formatvielfalt in der Begegnung mit Beethoven ist im kommenden Jahr garantiert: In Wien sind zuwischen mehr als 200 Veranstaltungen von Ball bis Frachtschiff auch zahlreiche Ausstellungen programmiert - darunter "Beethoven bewegt" mit alter und zeitgenössischer Kunst rund um Beethoven im Kunsthistorischen Museum, mit einer "Symphonie aus Bildern" im Leopold Museum oder mit einer großen Originaldokumentenschau im Prunksaal der Nationalbibliothek. Aber auch in den Bundesländern wird sich das Beethovenjahr spätestens mit Bekanntgabe der Programme der zahlreichen (früh-)sommerlichen Festivals deutlich bemerkbar machen. Bereits im Frühjahr stehen in den Landeshauptstädten einige Höhepunkte an.
"Beethoven feiert Geburtstag" im Festspielhaus St. Pölten, unter anderem mit einer Familienvorstellung der "Pastorale" mit dem Tonkünstler-Orchester inklusive Schauspiel (1.4.), in der Linzer Friedenskirche bringt musica sacra die Messe in C-Dur am 29. März, und in Graz spielt das Orchester der Oper im Musikverein für Steiermark die "Missa Solemnis" gemeinsam mit Georg Friedrich Haas' "Musica per Matera" unter Oksana Lyniv (27.4.). Bereits ab 13. Jänner machen die Wiener Symphoniker unter Philippe Jordan in Graz bei ihrer Beethoven-Österreich-Tournee Station, die sie am 14. Jänner mit Klaviersolist Rudolf Buchbinder ins Festspielhaus Bregenz und am 15. Jänner mit Symphonien - wieder unter Jordan - auch ins Große Festspielhaus Salzburg, sowie im Februar nach Paris, Budapest und Zagreb führt. Eine "Beethoven-Gala" feiert man im Haus der Musik Innsbruck am 8. März, im Vorarlberger Landestheater kommt am ersten Februar - gleichzeitig mit der Wiener Staatsoper - ein neuer "Fidelio" heraus.
Wien will unter zwei Millionen investieren
Die Stadt Wien hat sich vorgenommen, bei den Ausgaben für das Beethoven-Jahr 2020 bei "deutlich unter zwei Mio. Euro" zu bleiben. Das sagte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bei der Programmpräsentation am Donnerstag. Darin seien bereits PR-Maßnahmen, aber auch Kosten für das geschaffene Koordinierungsbüro enthalten - und zwar inklusive Vorbereitungszeit, betonte der Stadtchef.
Ludwig sprach insofern von einem "sehr schlanken Budget für eine so große Aktivitätsreihe". Das sei möglich, weil die Koordination mit den vielen Kulturinstitutionen der Stadt sehr gut funktioniere. Zudem geht der Bürgermeister davon aus, dass der Werbewert "ein Vielfaches von dem, was wir als Stadt einsetzen", sei.
Dieser werde außerdem sehr nachhaltig wirken, "weil wir die Stadt Wien auch für die Zukunft als Kultur- und Musikhauptstadt positionieren wollen". Was den Tourismusaspekt anbelangt, betonte der Bürgermeister, dass das Beethoven-Jahr gut in die neue Strategie passe, sich auf Besucher mit "vertiefendem Interesse" zu fokussieren anstatt auf Gäste, "die nur für ein paar Stunden durch die Stadt laufen".
Die Stadt tritt dabei kaum als Veranstalterin selbst auf. Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) nannte als Mission, "zum Klingen zu bringen, was in der Stadt schon da ist". Viele Institutionen würden sich sowieso mit dem Meister beschäftigen, man wolle "bündeln, verstärken und Impulse setzen, um ungewöhnliche Formate anzugehen", verwies sie etwa auf die Einbindung der Bestattung, der Volkshochschulen oder des Silvesterpfads.
Komponist wurde in Bonn geboren
Ludwig erwähnte, dass der Meisterkomponist zwar in Bonn geboren worden sei, aber den größten Teil seines Lebens in Wien verbracht habe: "Es ist durchaus berechtigt, dass wir ihn für uns reklamieren." Kaup-Hasler nannte Beethoven einen "wunderbaren deutschen Arbeitsmigranten". Dieser sei als 22-Jähriger in die Stadt gekommen und habe diese "bis auf ein paar Kuraufenthalte und Damenbesuche" nicht mehr verlassen, wusste Beethoven-Koordinatorin Susanne Schicker. Sie kümmert sich mit zwei Mitarbeitern um die abgestimmte Abwicklung aller Veranstaltungen - allein mehr als 200 im ersten Halbjahr - unter der Dachmarke "Wien Beethoven 2020". Der Startschuss für den einjährigen Eventreigen fällt am 16. Dezember, dem mutmaßlichen Geburtstag Beethovens, im Rathaus. Exakt ein Jahr später, dem 250. Geburtstag des Komponisten, findet dort auch die Abschlussveranstaltung statt.