Wie es letzten Symphonien zu eigen ist, erblickte auch Mahlers Neunte mit Seitenblick auf den Tod das Licht der Welt. Gänzlich neue, für Mahler ungewöhnliche Klänge dürfen in ihr erstrahlen. Teodor Currentzis führt im Konzerthaus die interpretatorische Feder. Für das Publikum bedeutet das vorfreudige Anspannung und: Schweigen.

Currentzis arbeitet durch starke Kontraste und Betonungen der einzelnen Instrumentengruppen - da darf man sich genüsslich zurücklehnen. Die Langeweile ist verbannt. Nach einem wuchtigen, den Tod bereits ankündigenden ersten Satz, nimmt Currentzis den zweiten, zerpflückt ihn, indem er ihm jeglichen Fluss nimmt, und stellt ihn in die Ecke mit Picassos kubistischsten Werken. Ein Ländler? Einer mit eckigem Schädel!

Nach einem organisierten Kuddelmuddel im Rondo findet der Sterbende schließlich im letzten Satz seine Offenbarung. Ein erlösender Blick gen Himmel. Der energische Einstieg in dieses Adagio fällt zu einem unendlich weichen Streichergrund zusammen. Currentzis, dessen Irokesenstreifen das Interesse am Stehen längst verloren hat, krümmt sich zuweilen, als würde er den von den Geigern versetzten Todesschmerz selbst spüren. Mit jedem piano wird der Saal ein bisschen weiter abgedunkelt und über die aushauchenden Oboen- und Harfenklänge bricht die Nacht herein. Und während das Orchester ein letztes Mal anhebt, fragt man sich kurz, ob es nicht ein Kirchenchor in der Ferne ist, der hier einen Abgesang aufs Leben singt. Ein Pianissimo, dass die guten Wiener nicht mehr wissen, wohin mit ihrem Husten. Sie schieben es in ihre Schuhe, die aufgeregt über Sessel quietschen. Die Luft klirrt elektrisch. Im Saal kaum ein Hauch. Warte nur balde . . .