Es ist schwer, Daniel Hope nicht zu mögen. Der geigende Rotschopf hat sich nicht nur einen Namen in den Konzerthäusern gemacht. Er ist auch ein gern gesehener Gast in TV-Shows, hat Radiosendungen moderiert, Bücher verfasst, tummelt sich in den Sozialen Netzen. Kurz: Hope weiß, wie man die Medienorgeln bespielt - und wie man darüber klassische Musik an den Mann bringt.

Sein Blick reicht dabei über den Tellerrand der Kunst hinaus: Hope bezieht gern Stellung gegen den Rassismus, nimmt Flüchtlinge in Schutz - was umso authentischer wirkt, als er selbst "nur aus Flüchtlingsgeschichte" besteht, wie er einmal sagte: Seine Vorfahren waren vor den Nationalsozialisten nach Südafrika geflohen; nach seiner Geburt emigrierte die Familie über Frankreich nach England, wo sich der Meistergeiger Yehudi Menuhin des Buben annahm - ein Stoff, den der heute 46-Jährige in seinem Buch "Familienstücke" verarbeitet hat.

Daniel Hope Belle Epoque (DG)
Daniel Hope Belle Epoque (DG)

Die Zeitgeschichte beschäftigt ihn aber auch als Geiger: 2014 hat Hope den Filmmusik-Pionieren Hollywoods, darunter prominente Flüchtlinge aus Nazi-Deutschland, ein Denkmal mit dem Album "Escape to Paradise" (DG) gesetzt. Nun befasst sich der Brite erneut mit Musik am Rande eines Weltenbrandes. Die Doppel-CD "Belle Epoque" bringt Werke der gleichnamigen Ära zum Vorschein - jener Epoche also, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann und mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs kollabierte. Hope schwärmt in Interviews vom Facettenreichtum der Jahre: Kühne Neuerer standen konservativen Größen gegenüber, das Geistesleben schillerte in flirrenden Facetten.

Emmanuel Tjeknavorian Violin Concertos (Berlin Classics)
Emmanuel Tjeknavorian Violin Concertos (Berlin Classics)

Diese Bandbreite stellt sich auf Hopes Panoptikum aber leider nicht ein. Statt als bunte Parade marschiert die Vergangenheit seltsam einfärbig daher. Ob Musik aus England, Frankreich, Österreich: Vieles wirkt wie eine liebliche Klangtapete, für den Einsatz in parfümierten Salons fabriziert. Und die Stücke von Arnold Schönberg und Alban Berg tanzen nicht aus der Reihe, weil sie aus tonalen Schreibphasen der beiden stammen. Ein Quäntchen Atonalität (Anton Webern) gibt erst gegen Ende des Doppelalbums laut; der Fieberklang des Expressionismus glüht gar nicht erst auf. Immerhin: Hopes delikate Tongebung erfreut in diesem Mix aus Kammer- und Orchesterstücken. Und mag dieses Konvolut auch nicht die Bandbreite des Fin de siècle widerspiegeln, eignet es sich als Entspannungsklangbad für gestresste Zeitgenossen.

"Wiener Zeitung"-Klassikexperte Christoph Irrgeher.
"Wiener Zeitung"-Klassikexperte Christoph Irrgeher.

Der heimische Geiger Emmanuel Tjeknavorian geht nach seiner Debüt-DC mit Solostücken nun in die Vollen: Begleitet vom hr-Sinfonieorchester schultert er zwei wuchtige Violinkonzerte. Nur logisch, dass der Klassiker von Jean Sibelius dabei zum Zuge kommt: Es ist das Paradestück des Junggeigers und trug ihm beim Sibelius-Wettbewerb 2015 internationale Anerkennung ein. Warum, ist hier nachzuhören: Tjeknavorians Spiel wirkt schwerelos, selbst wenn es sich aus lichter Lyrik zu lodernder Leidenschaft steigert, es meistert dichte Notenballungen mit schlanker Eleganz und spannt im Adagio Melodiebögen wie Silberfäden. Kurzum: Eine Ohrenweide, hier ergänzt um das eingängige, folkloristisch gefärbte Violinkonzert von Loris Tjeknavorian (1956), dem armenisch-stämmigen Vater des Virtuosen.