Da geht doch glatt einer her, ein Regisseur, ein heutiger zumal, und inszeniert die Oper "Der fliegende Holländer" grad so, wie sie der Richard Wagner getextet und komponiert hat. Wirklich glücklich macht das Unterfangen dennoch nicht.

Richard Wagner Der fliegende Holländer (CMajor)
Richard Wagner Der fliegende Holländer (CMajor)

Zugegeben: Mit dem "Holländer" haben die Regisseure von jeher ihre liebe Not. Bühnenbildner schlagen prinzipiell verzweifelt die Hände über dem Kopf zusammen, wenn sie Schiffe darstellen müssen: Soll es realistisch sein, spießt sich immer etwas mit den Proportionen. Abstrahierte Schiffe schauen jedes Mal wieder seltsam aus.

"Wiener Zeitung"-Klassikexperte Edwin Baumgartner.

"Wiener Zeitung"-Klassikexperte Edwin Baumgartner.

Die Regisseure wiederum stehen vor dem Problem, was sie mit der Geschichte machen sollen: Gar so viele Ausdeutungsmöglichkeiten gibt es schließlich nicht. Frau erlöst Seegespenst durch Liebe. Das ist der Kern. Um den kommt man nicht recht herum. Genau genommen hat Harry Kupfer seinerzeit, 1978, in Bayreuth die wesentlichsten Deutungsmöglichkeiten weginszeniert: der Holländer - ein Wunschtraum Sentas. In der Wiener Staatsoper hat dann 2003 Christine Mielitz ein feministisches Fanal versucht samt Selbstverbrennung der Senta. Das war schon weniger überzeugend, aber immerhin auch noch eine Ausleuchtung, die man interessant finden konnte. Und Martin Kušej hat 2010 in Amsterdam ganz auf Schiffe und Romantik verzichtet und einen knallharten Gesellschaftsthriller unter Urlaubern inszeniert, die in einem Schutzraum einen Sturm abwarten müssen, ehe es mit der Reise weitergeht.

Paul Curran versucht, der Sturmatmosphäre von Wagners Oper gerecht zu werden. - © Ivan Tostrup
Paul Curran versucht, der Sturmatmosphäre von Wagners Oper gerecht zu werden. - © Ivan Tostrup

Viel mehr Möglichkeiten gibt der Stoff nicht her, irgendwie scheinen alle nur Variationen des längst Gehabten. Dann also doch lieber zurück zum Original, wie Wagner es gemeint hat.

Der schottische Regisseur Paul Curran, Ex-Direktor der Norwegischen Nationaloper, ist kein prinzipiell konservativer Regisseur. Seine Inszenierung von Smetanas "Verkaufter Braut" etwa reflektiert die Unebenheiten der Gegenwart, die gerade noch ins Komische kippen.

Für den Maggio Musicale Fiorentino aber inszenierte er den "Holländer" ganz konservativ, und wenn er sagt, ihm sei es um die Rolle der Frau, also um Feminismus, gegangen, ist das eine Behauptung, die sich in der Regie kaum ausmachen lässt. Oder anders gesagt: Wenn das eine feministische Deutung ist, dann ist jede Inszenierung des "Holländer" feministisch, die das Libretto bebildert.

Immerhin: Es ist ein grandioses Schauerspektakel, was Curran da mit Licht, Schatten und Projektion aufführt. Filmrealistische Nähmaschinen inklusive.

Was freilich weniger glücklich macht: Die Personenführung ist ganz wie in der guten alten Tante Oper: viel Händeringen, viel Stehen, viel auffälliges Blickezuwerfen. Mag sein, dass das besser wirkt, wenn man es vom Zuschauerraum aus auf der Bühne sieht, also aus entsprechender Distanz. Auf DVD jedoch sieht’s verstaubt aus. Hat seinen Reiz, zweifellos, und sicher ist es schön, einmal diese Gespensteroper als Gespensteroper zu erleben samt Gruselmomenten.

Musikalisch freilich sorgt Fabio Luisi für ein klanglich geschärftes Aha-Erlebnis, da brausen Stürme auch durch die Seelen. Thomas Gazheli in der Titelrolle ist fulminant, Marjorie Owens als Senta überzeugt stimmlich mehr als darstellerisch. Bernhard Berchtold (Erik) und Michail Petrenko (Daland) begeistern nahezu. Wer’s konservativ mag, für den ist das die Idealproduktion.