München. Lieber einen Star oder einen grundsoliden Musikarbeiter? - Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks lässt sich Zeit. Zumal man angesichts der Corona-Krise nicht abschätzen kann, wie es finanziell weitergeht. Zum Beispiel der versprochene neue Konzertsaal: Ministerpräsident Markus Söder bekennt sich zum Bau - nur, ob er ihn auch finanzieren kann, das fragt sich.

Am 1. Dezember 2019 ist Mariss Jansons, der damalige Chefdirigent des Orchesters gestorben. Potenzielle Nachfolger werden immer noch nur gerüchteweise genannt. Jansons war beides: Ein besessener Arbeiter, der, vielleicht sogar im Widerspruch zu seiner zurückhaltenden Persönlichkeit, Glanz verbreitete. Einen solchen Chef ersetzt man nicht leicht.

Vor allem: Ein Chefdirigent prägt das Orchester. Jansons stand für die große symphonische Tradition und ihre geradlinigen Fortsetzer in die Gegenwart. Soll es so weitergehen? Der Brite Sir Simon Rattle etwa, den viele als Favoriten nennen, liebt kuriose Projekte, entlegenes Repertoire - und macht, Hand aufs Herz, als derzeitiger Chef des London Symphony Orchestra international nur leise von sich reden. Scharrt Yannick Nézet-Séguin in den Münchner Startlöchern? Multitasking wäre angesagt. Der Kanadier ist Chef an der New Yorker MET, des Philadelphia Orchestra und des Orchestre Métropolitain in Montréal.

Der Retter könnte aus Österreich kommen: Franz Welser-Möst, in Tradition des Münchner Allzeit-Lieblings Wolfgang Sawallisch ein grundsolider Kapellmeister mit genialen Funken beim Repertoire, interessiert an Gegenwartsmusik, sofern sie traditionsbezogen ist, würde nicht zuletzt wegen seiner konservativen Philosophie in München gute Figur machen. Allerdings gilt er als schwierig: Krach beim London Philharmonic, an der Wiener Staatsoper hat er demissioniert. In Cleveland freilich klappt es seit 18 Jahren - der Vertrag läuft bis 2027. Das sagt viel aus über Welser-Mösts Bindungswilligkeit, wenn die Bedingungen stimmen. Das könnten sie auch an der Isar.(eb)