Der niederländische Komponist Louis Andriessen ist unterschiedlichen Meldungen zufolge am 30. Juni oder 1. Juli in einem Pflegeheim nahe Amsterdam gestorben. Er war 82 Jahre alt. Andriessen galt als wichtigster zeitgenössischer Komponist seines Landes. In seiner Musik mischten sich Einflüsse Igor Strawinskis, des Jazz sowie serielle und minimalistische Techniken. Seine Oper "La Commedia" wird als Meilenstein des neuen Musiktheaters angesehen. 

Louis Andriessen, geboren am 6. Juni 1939 in Utrecht, entstammte einer musikalischen Familie: Er war der Sohn des Komponisten und Dirigenten Hendrik Andriessen, Bruder des Komponisten Juriaan Andriessen und Neffe des Pianisten und Komponisten Willem Andriessen.

Ersten Kompositionsunterricht nahm Louis Andriessen bei seinem Vater und bei Kees van Baaren am Königlichen Konservatorium von Den Haag, ehe er bei Luciano Berio weiterstudierte.

Ensemblegründungen

1969 war Andriessen Mitbegründer des musikalischen  Experimentalstudios STEIM in Amsterdam. Er stand auch hinter der Gründung der Ensembles Orkest de Volharding und Hoketus und war später federführend bei der Gründung des Schonberg- und des Asko-Ensembles sowie der britischen Formation Icebreaker. Alle diese Ensembles wurden gegründet, um Neue Musik unabhängig von ästhetischen Normen aufzuführen.

Andriessen unterrichtete Komposition am Konservatorium von Den Haag. In erster Ehe war er mit der Gitarristin Jeanette Yanikian verheiratet. Im Jahr 2020 gab seine zweite Frau, die Geigerin Monica Germino, bekannt, dass Andriessen an Demenz erkrankt sei.  

Als Komponist begann Andriessen im Stil eines absichtlich trockenen Neoklassizismus, wandelte sich dann aber zu einem strengen Serialisten, ehe er einen weiteren stilistischen Wandel vollzog, und zwar hin zu einer Musik, die zwar minimalistische Techniken nützt, diese aber, entgegen dem stark auf konsonante Akkorde ausgerichteten Minimalismus nordamerikanischer Komponisten, mit einer scharf dissonanten Harmonik kombiniert. Aus dem Jazz und dem Rock übernimmt Andriessen rhythmisch zuckende Basslinien, die er zumeist Klavieren und Bassgitarren anvertraut. Elektronisch verstärkte Instrumente und Singstimmen sowie immer wieder große Lautstärke prägen ein insgesamt aggressiv anmutendes Klangbild, das mit in der Regel wenigen ruhigen Oasen von meditativer Statik wechselt.  

Eigenwillige Besetzungen

Seit 1970 verweigerte Andriessen, für herkömmliche Orchesterbesetzungen zu schreiben. Charakteristisch ist etwa die Kantate "De Tijd" (Die Zeit, 1979–81) nach einem Text des heiligen Augustin von Hippo, komponiert für Frauenchor, Schlagzeugensemble, acht Flöten, vier Klarinetten, sechs Trompeten, zwei Harfen, zwei Klaviere, Hammondorgel, Streicher und zwei Bassgitarren. Auch wenn Andriessen für herkömmliche Orchester komponiert, ergänzt er sie zumeist mit reichhaltigem Schlagzeug, dazu oft E-Gitarren, Klaviere und Saxophone.

Solche Besetzungen, die von den flexiblen Gruppierungen beeinflusst sind, deren Gründungsmitglied Andriessen war, prägen zwar das Klangbild des Komponisten, machen seine Werke allerdings auch schwer aufführbar für herkömmliche Symphonieorchester.

Wiederholt nützte Andriessen seine Musik für politische Bekenntnisse und Botschaften, er nahm aber auch auf Malerei und Philosophie Bezug. Seine Beschäftigung mit angewandter Musik führte ihn auch zur Komposition der Partitur für Peter Greenaways Film "M is for Man, Music, Mozart". 

Seine Hauptwerke sind, neben den bereits genannten, die Opern "De Materie" und "ROSA The Death of a Composer", das Ballett "Odysseus' Women" und das Orchesterwerk "De Snelheid". Sein letztes Werk, das Chorwerk "May",  stammt aus dem Jahr 2019.