Die Corona-Zeit 2020 war schwierig. "Aber wir sind noch immer hier und glauben an die Botschaft der Musik. Musiker haben als Waffen nur Blumen, keine Dinge, die töten", spricht Riccardo Muti während des Neujahrskonzerts 2021 in die Kamera. Er appelliert an die Regierenden dieser Welt, Kultur als Element für eine bessere Gesellschaft zu verstehen. Ein Konzert, das sowohl den Wiener Philharmonikern als auch dem ausschließlich vor den Bildschirmen harrenden Publikum nahegeht. "Er hat so intensiv mit uns musiziert, dass wir alle vergessen habe, dass es kein Saalpublikum gibt. Wir haben für die Menschen um unser Leben gespielt", verdeutlicht Daniel Froschauer, erste Violine und Vorstand der Wiener Philharmoniker, die erschwerten Bedingungen des sechsten Neujahrskonzerts mit Riccardo Muti.
Gefragter Dirigent
Am heutigen Mittwoch feiert der Maestro seinen 80. Geburtstag und blickt dabei auf eine jahrzehntelange Karriere als international gefragter Dirigent zurück. Eine besondere Beziehung pflegt Muti, neben dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und dem Chicago Symphony Orchestra, das er noch bis zur Saison 2021/22 leitet, mit den Wiener Philharmonikern. Gemeinsam musizieren sie seit 50 Jahren. Er hat in dieser Zeit langjährige Orchestermitglieder, die ihn prägten, in Pension gehen sehen. Jetzt spüren wiederum die jungen Musiker den besonderen Klang mit Muti.
Zu Beginn von Mutis Karriere ist es Herbert von Karajan, der ihn 1971 zu den Salzburger Festspielen einlädt, bei denen Muti Gaëtano Donizettis "Don Pasquale" dirigiert. 40 Jahre später wird er heuer bei den Salzburger Festspielen zum ersten Mal für ihn die imposante "Missa solemnis" von Ludwig van Beethoven dirigieren, und zwar am Pult der Wiener Philharmoniker. "Er studiert so unglaublich gewissenhaft. Nichts bleibt dem Zufall überlassen. Selbst bei Stücken, die er schon oft gemacht hat, probiert er immer wieder Neues aus", bewundert ihn Froschauer, der von einjährigen Erarbeitungsphasen ausgeht.
Die musikalische Ausbildung des Neapolitaners beginnt mit einem Klavierstudium am Konservatorium in Bari, wo er den Komponisten Nino Rota ("Der Pate") kennenlernt. In Mailand studiert er Dirigieren bei Antonio Votto, der seinerzeit Assistent von Arturo Toscanini an der Mailänder Scala war. Toscanini kannte Giuseppe Verdi persönlich und spielte als Zwanzigjähriger das Cello bei der Uraufführung von "Otello". "Das sind starke Einflüsse auf den Maestro, die er mit uns teilt", so Froschauer. Das Verdi-Requiem ist eine der erfolgreichsten Aufführungen unter Muti.
Ob Oper, Messe oder klassisches Konzert: Das Programm ist sehr breit. "Wir haben 300 bis 500 Titel auf Lager. Wenn sich einer eine Möblage anschaffen will, um Aufnahmen Mutis unterzubringen, dann sind vier bis fünf Meter durchaus drin. Im Multiformat muss es dann wohl bis unter die Decke reichen", scherzt Richard Winter, Inhaber von CD-Geschäft und -Label Gramola. Der aktuelle Bestseller ist in der Tat das Neujahrskonzert 2021. Seit Juni neu im Programm ist "The Complete Warner Symphonic Recordings" mit 91 CDs, die von der EMI aufgezeichnet wurden. Winter ergänzt: "Er dirigiert keine progressiven Inszenierung. Leute mit konventionellem Operngeschmack sind mit seinen Aufzeichnungen gut bedient."
Als Musikdirektor der Mailänder Scala tritt Muti 1986 in den Dienst. Eine Aufgabe, die er 19 Jahre erfüllt, und in dieser Zeit werden Anekdoten geschrieben. Darunter eine Premiere der "Traviata" 1995, bei der er sich selbst bei vollbesetztem Haus am Flügel positioniert, um das streikende Orchester zu vertreten. Derartiges kennen die Wiener Philharmoniker nicht: "Wenn ein lautes Piano zu hören ist, wird er richtig emotional. Aber er ist auch ein Freund, dirigiert glasklar und hilft uns über die Klippe hinweg. Bei absolutem Vertrauen macht er nur noch runde Bewegungen und lacht", strahlt Froschauer, der im Namen der Wiener Philharmoniker - wie es in der "Missa solemnis" heißt: Von Herzen möge es wieder zu Herzen gehen -
alles Gute und viele Stunden gemeinsames Auf-der-Bühne-Stehen wünscht.