Es kommt wieder mehr Leben ins Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker - zumindest im Vergleich mit dem abgelaufenen Jahr. Wir erinnern uns: Am 1. Jänner 2021 hatte Riccardo Muti den Traditionstermin aufgrund der Pandemie vor leeren Saalreihen im Wiener Musikverein dirigiert. Für die kommende Ausgabe sieht es nun besser aus: Am Neujahrstag 2022, also an diesem Samstag, werden immerhin 1.000 Personen gemäß den 2G-Plus-Regeln und mit FFP2-Maske das prestigeträchtige Konzert leibhaftig besuchen dürfen.
Zwar hätten die Philharmoniker auch beschließen können, vor vollen Reihen zu spielen. Bei mehr als 1.000 Personen im Saal hätten jedoch - wegen der jüngsten, kurzfristig beschlossenen Corona-Maßnahmen - alle Konzertgäste dreifach gegen das Virus geimpft sein müssen. Viele Kartenbesitzer aus dem Ausland hätten diesen dritten Stich jedoch nicht. Darum sei es das "Logischste" gewesen, sagt Philharmoniker-Vorstand Daniel Froschauer am Mittwoch bei einer Pressekonferenz, das Publikum auf 1.000 Personen zu begrenzen. Wobei Froschauer ergänzt: Wer heuer nicht dabei sein kann (es sind jene Personen, die Karten oberhalb des Parterres besitzen), erhalte Tickets für das Neujahrskonzert 2023.
Plädoyer für die Musik
Eine Publikums-Obergrenze von 1.000 Personen sei zwar "nicht ideal, aber erträglich", äußert sich Dirigent Daniel Barenboim bei der Pressekonferenz. Er blickt bereits auf einen profunden Erfahrungsschatz mit Corona-Konzerten zurück. Im Juni 2020 hatte er das Wiedereröffnungskonzert im Musikverein nach dem ersten Lockdown geleitet, damals vor lediglich 100 Personen. "Das war auf der einen Seite wundervoll, auf der anderen aber auch traurig."
Dem Neujahrskonzert sieht der Pultstar, der die Philharmoniker 1965 als Pianist kennengelernt hatte und sie seit 1998 regelmäßig dirigiert, mit Freude entgegen: "Es ist ein spezieller Anlass - nicht nur, weil wir das neue Jahr begrüßen, nicht nur, weil das Konzert in alle Welt übertragen wird." Es sei nicht zuletzt großartig, dass die Philharmoniker "diese Musik auf eine so natürliche, selbstverständliche Art spielen", schwärmt der 79-Jährige, der bereits die Wiener Neujahrskonzerte 2009 und 2014 geleitet hatte. Barenboim hofft, mit der Fernsehübertragung womöglich auch die Politik weltweit zu "inspirieren": "Die Welt vergisst ein wenig auf die Bedeutung der Musik", sagt er mit dem Verweis auf rückläufigen Unterricht an den Schulen. "Musik, das hat man bewiesen, besitzt einen wesentlichen Einfluss, sie wirkt emotional und rational. Meine beiden Enkel, sie sind fünf und sieben Jahre alt, durften hier bei Proben dabei sein. Es ist für mich sehr bewegend zu sehen, was für eine Freude ihnen die Musik bringt und was für eine Gelassenheit."
Im walzerlastigen Programm finden sich am 1. Jänner gleich sechs Neujahrskonzert-Premieren, darunter Joseph Hellmesbergers "Heinzelmännchen" und Josef Strauß "Nymphen-Polka". Die Ouvertüre zur "Fledermaus" wird ebenso erklingen wie Johann Strauß "Morgenblätter"-Walzer und der delikate "Sphärenklänge"-Walzer von Josef Strauß.
16 Kameras setzen das musikalische Großereignis, das in 92 Länder übertragen wird, in Szene, die Regie übernimmt zum sechsten Mal Michael
Beyer. Der Pausenfilm sowie die Balletteinlagen widmen sich dem 50. Geburtstag der Unesco-Welterbe-Konvention. Staatsballettchef Martin Schläpfer hat eine Choreografie zu "Tausend und eine Nacht" von Johann Strauß Sohn erarbeitet, die in der Schloss- und Gartenanlage von Schönbrunn aufgeführt wurde. Die zweite künstlerische Darbietung kommt von vierbeinigen Tänzern, nämlich den Lipizzanerhengsten der Spanischen Hofreitschule. ORF2 und Ö1 übertragen das Konzert live ab 11.15 Uhr.(irr)