Alle Aufnahmen von Pierre Boulez für die Deutsche Grammophon und für Decca - das macht 83 CDs in einer Box, die, je nach Händler, zwischen 170 und knapp über 200 Euro kostet. Womit sich die Frage erhebt, ob sie es wert ist.

Boulez Maxime war, nur Musik aufzuführen, die historisch bedeutsam ist. Das bedeutete für ihn die, abhängig von der Zeit, größtmögliche Komplexität. Wobei er die Musik vor Hector Berlioz fast völlig ausklammerte. Brahms, Schumann und Tschaikowski etwa sucht man vergebens.
Die meisten Werke in der DG-Box sind Neueinspielungen von Stücken, die Boulez früher schon bei CBS (jetzt Sony) vorgelegt hat: Hinreißende Aufnahmen der wesentlichen Werke von Debussy und Ravel, deren emotionale Abgekühltheit seinem Temperament entgegenkam, und scharf konturierter Bartók. Die Werke aus Strawinskis russischer Periode fanden in Boulez den idealen Interpreten, weil es auch in ihnen um Farbe und Klarheit der rhythmischen Gestalten geht (nur waren die CBS-Aufnahmen, speziell die des "Sacre du printemps", frischer), bei den neoklassizistischen Werken merkt man, wofür sich Boulez interessierte und wofür nicht. Erstaunlich wenig Schönberg enthält die Box, dafür eine intensive Einspielung zentraler Werke Weberns. Bei Berg punktet Boulez mit überraschend nostalgischen Tönen: So nachromantisch schön klingen "Lulu" und die "Drei Orchesterstücke" nur bei ihm. Die Mahler-Gesamteinspielung hingegen ist äußerst unterschiedlich mit einer hinreißenden Ersten Sinfonie und einem Röntgenbild der Siebenten. Zu Recht legendär für Boulez strukturbetonte Zugänge sind Wagners "Parsifal" und sein (stimmlich wenig überzeugender) "Ring des Nibelungen". Was fehlt, sind Janáčeks "Aus einem Totenhaus" und Debussys "Pelléas et Mélisande", beides läge auf DGG-DVDs vor.

Ein großer Teil der Aufnahmen war bereits in kleineren, thematisch zusammengestellten Boxen erhältlich - die Komplettbox ist ein Monstrum, aber eines, das sich, je nachdem, wie viel von der eigenen Sammlung man verdoppelt, aufgrund des Repertoirewerts durchaus lohnen kann.
Eine ausführlichere Besprechung des Inhalts finden Sie auf der Webseite der "Wiener Zeitung".

Die Wiener-Philharmoniker-Deluxe-Edition erscheint in Form einer unhandlichen Box, deren Zweck es offenbar ist, in der Glasvitrine einer Penthouse-Suite den exklusiven Musikgeschmack von deren Bewohnern nachzuweisen. Der Repertoirewert ist gering - nicht, weil die Aufführungen schlecht wären, sondern weil man das meiste längst kennt. Es ist ein Best of mit etwas Beethoven, ein paar Brocken Brahms, dazu etwas Mozart-Streusel und Richard-Strauss-Zuckerguss. Claudio Abbado dirigiert Schönberg und Rihm. Soll sein, man bekommt ja auch Schokolade mit Chili.
Viele Konzerte sind auf den 20 CDs, die dem Orchester nur Begleitfunktion zuweisen. Unter den Dirigenten sind Philharmoniker-Vertraute wie Herbert von Karajan, Karl Böhm, Leonard Bernstein und Riccardo Muti. Dass man bei Tschaikowskis "Fünfter" an Josef Krips gedacht hat, ist ein Pluspunkt, aber man hätte Mozart mit seinem legendären Interpreten erwartet. Wenn die Deluxe-Box freilich nur Luxus sein soll, erfüllt sie die Anforderungen perfekt.
Eine Besprechung des Inhalts erfolgt auf der Webseite der "Wiener Zeitung gesondert.