Wortspenden sind nicht seine Sache, Interviews verweigert er aus Prinzip. Grigori Sokolov, russischer Meisterpianist des Jahrgangs 1950, scheint auf einem Planeten namens Klaviermusik zu hausen. Insofern bemerkenswert, was am Sonntagabend im Wiener Konzerthaus bekannt wurde: Der St. Petersburger spendete seine Abendgage der Hilfsaktion "Nachbar in Not", wie Intendant Matthias Naske vor Konzertbeginn auf der Bühne des Großen Saals erklärte.

Das Konzert selbst folgt freilich dem üblichen Sokolov-Protokoll: Stoische Verbeugungen, schwaches Schummerlicht, farbenstarkes Klavierspiel. Der notorische Frackträger, stets eine Saison mit demselben Programm zugange, eröffnet mit Beethovens "Eroica-Variationen". Zwei Jahre ist es her, da hat Jewgeni Kissin hier dasselbe Stück als einen musikalischen Abenteuerspielplatz inszeniert und nur so geschwelgt in Schalk und Schwung. Sokolov bändigt Spiellust zugunsten eines analytischen Blicks, gelangt dergestalt aber nicht zu trockenen Ergebnissen. Kaum einer gestaltet die Linien einer Polyphonie mit den Mitteln der Artikulation so sinnlich und trennscharf wie der Russe. Und wohl niemand verfügt über ein solches Götterlegato. Dass auch in Sokolovs Flügel Hämmer stecken, ist in den zarten Brahms-Intermezzi op. 117 nicht glauben. Aus dem Vollen schöpft der 71-Jährige schließlich in Schumanns "Kreisleriana". Donnernde Aufschwünge, filigrane Feinmotorik, räumliche Klangbilder, hier und da wie aquarelliert, doch nie verwischt, kurz: fantastische Klavierstücke im doppelten Sinn. Letztlich sechs Zugaben samt Standing Ovations.