Am Sonntagabend geht es in Wien gegen null Grad. Dennoch demonstrieren vor den Türen des Konzerthauses einige friedlich gegen das Orchester musicAeterna unter der Leitung des griechisch-russischen Dirigenten Teodor Currentzis. Während die Demonstranten Flugzettel ausgeben, bittet auf der Bühne Intendant Matthias Naske die Besucher, eine Haltung zu entwickeln, die der Demokratie und nicht dem Krieg dient. Schon vor Tagen sorgte der Generalpartner, eines der größten russischen Finanzinstitute, für Skepsis bezüglich des Stattfindens der Veranstaltung. Zudem gab’s keinerlei Stellungnahme seitens des Orchesters oder des Dirigenten. Dennoch ist der Große Saal gut gefüllt. Die Mehrzahl der Zuhörer wird sich am Ende des Abends mit tobendem Applaus und Standingovation erkenntlich zeigen.
Welches Stück wäre in dieser Situation passender als Richard Strauss‘ "Metamorphosen" für 23 Solostreicher? Noch wenige Tage vor Ende des Zweiten Weltkriegs bringt der Komponist damit seine Erschütterung zum Ausdruck und konzentriert sich auf das Wesentliche der einzelnen Instrumente. Bei Strauss wie auch bei der folgenden sechsten Symphonie von Peter Tschaikowski klingen sie mehr pragmatisch als gefühlsbetont. Dafür winden sie sich umso wilder während ihrer Soloparts. Currentzis zwängt das durchwegs stehende Orchester in lange Fermaten, extreme Pianissimi und kräftige Fortissimi. Am einen Ende schleppt es, am anderen galoppiert es davon, gespickt mit scheppernden Tönen, die an eine Brassband erinnern.