Über dem Philharmonischen Abonnementkonzert am Samstagnachmittag scheint eine ganze Galaxie an Klangwelten zu liegen. Die dramatische Sopranistin Camilla Nylund lässt in der ersten Hälfte Noten leuchten, um die sich das Timbre der Wiener Philharmoniker gemäßigt windet. Richard Strauss’ "Malven" und "Vier letzte Lieder" gibt Nylund mit samtigen Spitzentönen und wärmenden Tiefen. Während das Tempo bei "Malven" schleppt, nimmt das Orchester mit den vertonten Gedichten von Hermann Hesse und Joseph von Eichendorff Fahrt auf. Bei "September" schließen die Hörner nach dem Gesang die "müdgewordenen Augen"; "Beim Schlafengehen" drücken die Kontrabässe und das sinnliche Spiel des Konzertmeisters Rainer Honeck auf die Tränendrüse. In "Abendrot" unterstützt jede einzelne Orchesterstimme Nylund bei der klammen Frage "Ist dies etwa der Tod?". Dieses Lied aus der Folgezeit des Zweiten Weltkriegs wirkt wie eine einzige magische Formel, die am Ende selbst die Augen der Sopranistin schließen lässt.
Sportlich, nicht angestrengt
Zwar ist die Sechste Symphonie von Anton Bruckner nicht dem Tod geweiht, doch wirkt sie wie ein gespenstisches Requiem. Christian Thielemann hingegen ist das pure Leben: Selbst die Wiener Philharmoniker schauen genau, was der deutsche Dirigent mit seinem Taktstock an flotten Tempi, Dynamiken und gesangvollen Themen vorgibt. Er wirkt sportlich, ohne sich angestrengt zu zeigen. Der Applaus animiert ihn zu einem kecken Sprung auf das Podium, von wo aus er noch kräftigeren erntet.