Wie entsorgt man eine nicht un-pfundige Leiche, wenn sie unmittelbar vor dem Dirigenten liegt? Robert Holl überfordert drei schmächtige Bürschchen vom Salzburger Bachchor eindeutig, und so muss der eben ermordete Komtur nolens volens selbst seine Gehwerkzeuge benutzen. Auch für Don Giovannis Höllenfahrt müssen ein paar Chorsänger beherzt ran. Ein improvisiertes kleines Handgemenge löst die Misere.
Die giocoso-Komponente im dramma kommt nicht zu kurz in der semi-szenischen Produktion der Mozartwoche in Salzburg in der Felsenreitschule: Man muss Rolando Villazón mildernde Umstände zusprechen. Die Angelegenheit wäre auch für einen Regieprofi eine Herausforderung. Lieber nicht beschreiben, was jeder Beschreibung spottet!
Zum 70er also schenkt man Sir András Schiff, seit mehr als dreieinhalb Jahrzehnten dauerbeschäftigt bei der Mozartwoche, diesen "Don Giovanni". Teil eines Zyklus, der im Jänner 2020 mit dem "Figaro" begonnen hat und auch "Cosi fan tutte" einschließen wird.
Schiff ist Mozart-Lyriker, das bekommt den Sängerinnen und Sängern gut. Alles moderat bis langsam. Da kann ein alter Buffo-Fuchs wie Maurizio Muraro als Leporello alle Register vokaler Komödiantik ziehen. Einprägsam Julian Prégardien als Don Ottavio mit wundersam weichem Höhenschmelz. Eine Luxusbesetzung ist Julia Lezhneva als Zerlina. Johannes Kammler in der Titelrolle: In einer ernsthaften szenischen Aufführung würde dieser "Don Giovanni" als eleganter Beau für sich einnehmen, und diese äußere Erscheinung passt auf die elegant geführte Stimme.
Solide und kommod gehts dahin in der Cappella Andrea Barca. Die starke Emotion: Auf die hat man einen Abend lang vergeblich gewartet. Sylvia Schwartz wäre mit ihrer eher metallischen Stimme eine fordernde Donna Anna, wenn sie vom Orchester Input erhielte. Die Donna Elvira der expressiv sich verausgabenden Magdalena Kozená litt besonders an Schiffs eindimensional lyrischer Sicht: Sie wirkte wie eine Rakete, deren Abschussrampe auf Sand gebaut ist.