Caspar Richter war stets ein Dirigent, der vieles wagte. Ganz klassisch ausgebildet war der am 16. September 1944 geborene Lübecker, doch 23 Jahre lang leitete er die Vereinigten Bühnen Wien mit ihrem Musical-Schwerpunkt. Für Richter gab es zwischen sogenannter Unterhaltungsmusik und klassischer Musik der komplexesten Art keinen prinzipiellen Unterschied. Gut gearbeitet musste sie sein, damit sich Richter ihrer annahm.

Dieses Repertoire muss man sich denn auch einmal auf der Zunge zergehen lassen. Spätromantisch Üppiges von Erich Wolfgang Korngold, rhythmisch Drahtiges von Boris Blacher, zwölftönige Italianità von Luigi Dallapiccola, vital Zupackendes von Gottfried von Einem, Neoexpressionistisches von Antonio Bibalo, Hans Werner Henze und Aribert Reimann war ihm ebenso ein Anliegen wie Operetten von Jacques Offenbach: eine wahrhaft atemberaubende Palette, zu der sich Uraufführung von Toshirō Mayuzumis Oper "Kinkakuji", die deutschsprachige Erstaufführung von Leonard Bernsteins "Mass" sowie die Moderne-Klassiker "Moses und Aron" von Arnold Schönberg und "Wozzeck" von Alban Berg gesellen.

An den Vereinigten Bühnen Wien dirigierte er unter anderem die Premieren von "Phantom der Oper", "Freudiana", "Elisabeth", "Mozart!", "Jekyll & Hyde" "Les Misérables", "Barbarella" und "Rebecca" und "Doktor Schiwago" in Gmunden.

Idealer Musiktheaterkapellmeister

Richter, Sohn des Pfarrers der protestantischen St.-Aegidius-Kirche in Lübeck, ausgebildeter Schlagzeuger und zu Beginn seiner Laufbahn Studienleiter und Korrepetitor von Dirigenten wie Karl Böhm, Eugen Jochum, Bruno Maderna, Herbert von Karajan, Giuseppe Sinopoli und Michael Gielen, war ein idealer Kapellmeister für das Musiktheater, weil er die Gabe hatte, spontan auf Sänger einzugehen und die Notwendigkeiten dem Orchester mit unmissverständlicher Zeichengebung zu vermitteln. Lorin Maazel wurde auf Richter aufmerksam und verpflichtete ihn in seiner Zeit als Direktor der Wiener Staatsoper an das Haus am Ring, wo Richter vor allem Ballette wie "Josephs Legende" von Richard Strauss oder "Romeo und Julia" von Sergej Prokofiew dirigierte. Später war Richter Chefdirigent der Oper in Brünn und wurde zum Ehrendirigenten der Tschechischen Staatsphilharmonie Brünn ernannt. 

Als Konzertdirigent leitete er unter anderem die Uraufführung von Joe Zawinuls Erster Symphonie beim Brucknerfest in Linz und spielte mit dem Brucknerorchester sämtliche Orchesterwerke von Erich Wolfgang Korngold auf vier CDs ein, was unverändert die maßstabsetzenden Einspielungen dieser Werke sind. Mit feinem Ohr balanciert Richter hier die üppigen Instrumentierungen aus und gewinnt den Partituren einen überwältigenden Reichtum an Farben ab, ohne sich der hemmungslosen Schwelgerei hinzugeben, zu der Korngolds Musik schon manch einen Dirigenten verführt hat. Zu seinen kuriosesten und zugleich brillantesten Einspielungen gehört auch eine CD mit alten Militärmärschen.

Richter wird im Gedächtnis bleiben als einer der stillen Musiker, die nie viel Aufhebens um die eigene Person gemacht haben, aber Großes und Grenzüberschreitendes für die Musik unserer Zeit geleistet haben.

In der Nacht auf Donnerstag ist Caspar Richter im Alter von 78 Jahren gestorben.