Wer Überraschungen liebt, wird von den Salzburger Osterfestspielen gut bedient. Nicht nur hat das Festival in Nikolaus Bachler einen neuen Leiter, der für jede Ausgabe der nächsten Jahre ein anderes Gastorchester aus dem Intendantenhut zaubert (in diesem Frühling das Gewandhausorchester mit Chefdirigent Andris Nelsons, im nächsten Jahr das Orchestra dell’ Accademia Nazionale di Santa Cecilia mit Antonio Pappano). Das Osterfestival war auch in der Vergangenheit nicht um Knalleffekte verlegen. Wobei: Die meisten davon waren unfreiwilliger Natur. Blickt man auf die vergangenen 15 Jahre zurück, sind bei der Veranstaltungsreihe Dinge geschehen, die selbst gestandene Kulturkenner verblüfften.

Den Beginn machte 2010 ein Finanzskandal: Die Festivalleiter wurden wegen Malversationen ihrer Posten enthoben, die Strukturen danach auf neue Beine gestellt. Im Zuge dessen verabschiedete sich leider auch das bisherige Stammorchester. Die Berliner Philharmoniker, seit der Festivalgründung durch Herbert von Karajan Ostergäste in Salzburg, verließen die Stadt 2012 zugunsten der Osterfestspiele Baden-Baden.

Die nächste Überraschung geriet zur Abwechslung positiv: Publikumsliebling Christian Thielemann hielt bei dem verwaisten Festival Einzug und sorgte ab 2013 mit der Staatskapelle Dresden für künstlerische Erfolge und gut besuchte Sitzreihen. Umso überraschender, als der Aufsichtsrat 2018 eine Veränderung bekannt gab: Nikolaus Bachler, zu der Zeit Chef der Staatsoper München, werde 2020 als Geschäftsführer zum Festival wechseln und ab 2022 auch als Intendant tätig sein. Und Thielemann? Bleibe künstlerischer Leiter, hieß es.

Der Verdacht, dass sich zwei so machtbewusste Herren wohl kaum einen Chefsessel teilen würden, bestätigte sich rasch in Form verbaler Scharmützel. Wollten die Gesellschafter der Osterfestspiele Thielemann vergraulen oder agierten sie schlicht ahnungslos?

Im September 2019 machten sie jedenfalls Nägel mit Köpfen: Der Vertrag Thielemanns wurde nicht verlängert und der deutsche Pultstar damit 2022 zum Abgang gezwungen. Die Abschiedsausgabe - mit Wagners "Lohengrin" als zentraler Opernproduktion - erzielte eine Auslastung von 81 Prozent, der Maestro schied mit milden Worten: "Was bleibt, ist nicht nur die Erinnerung an musikalische Glanzstunden, sondern auch die Begegnungen und Freundschaften mit den Salzburgern, unserem treuen Publikum", streute er seinen Festivalgästen Rosen.

Glamour und Zeitgeist

Diese Herzen wird Nachfolger Bachler erst erobern müssen. Es fehlt seinen ersten Osterfestspielen (1. bis 10. April) allerdings nicht am nötigen Starglamour: Die Kernproduktion, Wagners "Tannhäuser", ist mit Kalibern wie Jonas Kaufmann und Elina Garanča besetzt; zudem geht heuer erstmals ein Tanzabend (von Emanuel Gat) über die Bühne und, als zeitgeistiger Akzent, die Gegenüberstellung von Wagners Klangfluten mit Techno-Musik (von Westbam).

Seit Donnerstag ist nun auch das nächstjährige Programm bekannt, es trumpft mit einem zuletzt polarisierenden Namen auf: Anna Netrebko wird an Kaufmanns Seite eine Hauptrolle in Amilcare Ponchiellis Oper "La Gioconda" spielen. Die Austro-Russin sei dafür schlicht die "Idealbesetzung", sagte Bachler, moralische Bedenken wegen Netrebkos vermeintlicher Putin-Nähe kann er nicht nachvollziehen.

Welche Orchester in den weiteren Folgejahren in Salzburg gastieren werden? Das ist vorerst noch Verschlusssache. Spätestens 2026 sollen diese Besetzungsüberraschungen aber enden. Dann, das hat Bachler in diesem Jänner bekannt gegeben, sollen nämlich die Berliner Philharmoniker mit ihrem Chefdirigenten Kirill Petrenko (der davor als Generalmusikdirektor bei Bachler in München tätig war) zu dem Festival zurückkehren. Womit sich bei den turbulenten Festspielen wieder ein Hauch von Tradition einstellen würde.