Was ist los bei der Jeunesse? Der Konzertveranstalter für ein junges Publikum hat in den Vorjahren gefühltermaßen mehr Leiter verschlissen als Italien in seinen instabilsten Zeiten Regierungschefs. Seit März sitzt nun Birgit Hinterholzer auf dem Chefsessel - und ist gewillt, dort um einiges länger auszuharren als ihre Vorgänger. Ein Gespräch mit der 48-jährigen Oberösterreicherin, die zuletzt in Linz die bundesweite Wettbewerbsorganisation "Musik der Jugend" geleitet hat.
"Wiener Zeitung": Die Jeunesse hat innerhalb von vier Jahren fünf Generalsekretärinnen und -sekretäre verbraucht. Warum haben Sie sich für den Job beworben? Muss man diesen Posten nicht fast zwangsläufig für einen Schleudersitz halten?

Birgit Hinterholzer: Rechnet man den Wechsel der Geschäftsführerinnen und -führer dazu, war die Fluktuation sogar noch höher. Dennoch wollte ich diesen Posten antreten. Ich habe mich schon in den Vorjahren mit der Jugendförderung auseinandergesetzt, die Arbeit bei der Jeunesse ist die logische Fortsetzung meiner bisherigen Tätigkeit in Linz. Meine Motivation ist groß, bei der Jeunesse Dinge strukturell neu zu denken und auch zu hinterfragen.
Apropos Strukturen. Gab es in den Vorjahren hausgemachte Gründe für den Unfrieden bei der Jeunesse?
Das würde ich nicht sagen. Ich denke, es kommt auf die richtige personelle Konstellation an der Spitze an. Außerdem hat die Corona-Krise die Probleme der Jeunesse befeuert.
Dazu trug 2020 aber auch eine radikale Idee bei: Die Jeunesse wollte aus Spargründen das Programm in den Bundesländern sowie die Jugendaktivitäten massiv zurückfahren. Die Folge war ein allgemeiner Aufschrei; der Plan wurde zurückgenommen.
Diese Ideen sind heute jedenfalls nicht mehr relevant. Das bundesweite Netzwerk der 22 Geschäftsstellen ist und bleibt eines der wesentlichen Merkmale der Jeunesse; ich möchte das auch stärker betonen.
Die Jeunesse hat nicht nur eine Generalsekretärin: Sie besitzt auch einen Trägerverein mit einem Obmann oder einer Obfrau, außerdem gibt es einen Vorstand. War diese Struktur vielleicht auch ein Grund, warum es sich in den Vorjahren gespießt hat?
Darüber kann ich nichts sagen, es war vor meiner Zeit. Ich sehe da aber kein Konfliktpotenzial. Der Vereinsvorstand ist nicht ins Tagesgeschäft, nicht in den operativen Bereich involviert; er überlässt dies dem Generalsekretariat. Ich habe ein gutes Einvernehmen mit dem Vorstand.
Wie lang läuft Ihr Vertrag?
Unbefristet. Ich will länger bleiben und fühle mich wohl in Wien.
Sind Konzerte für junges Publikum ein Selbstläufer? Solche Termine scheinen in Wien rasch ausverkauft zu sein. Oder wird Ihre Arbeit dadurch schwierig, dass Musikverein und Konzerthaus eigene Jugendschienen anbieten?
Unabhängig vom Alter wird es schwieriger, Menschen für Konzerte zu motivieren. Das hat nicht nur Corona mit sich gebracht. Wir können aber nicht klagen. Wir versuchen, das Publikum mit hoher künstlerischer Qualität zu überzeugen, und sind guter Dinge, dass wir für die nächste Saison ein attraktives Angebot haben.
Eine zweite Programmsäule der Jeunesse sind Konzerte mit Jungmusikerinnen und -musikern. Was wollen Sie am bisherigen Event-Profil ändern oder beibehalten?
Die "Featured Artists" werden wir sicher behalten. Ich finde das Konzept schön, Musikerinnen und Musiker der nächsten Generation in den großen Sälen auftreten zu lassen und auf Tournee durch die Bundesländer zu schicken. Ich sehe unsere Hauptaufgabe weiter darin, junge Menschen zu fördern. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Jeunesse-Oorkaan-Academy: Da bilden wir junge Musikerinnen und Musiker für Konzerte mit jungem Publikum aus und setzen innovative Impulse.
Die Jeunesse hat seit jeher kein eigenes Haus. Sehen Sie das als Problem?
Nein, das fehlende Haus betrachte ich eher als Vorteil. Wir sind flexibel und können andere Spielstätten kreativ nutzen. Es gibt aber schon ein Problem in diesem Kontext, nämlich unsere geringe Sichtbarkeit. Wir müssen dran arbeiten, dass man uns als innovativen Veranstalter wahrnimmt, auch mit unkonventionellen Events im Nischenbereich.
Was meinen Sie damit?
Zum Beispiel den Zyklus "Musik erleben", bei dem wir etwa im Wasserturm ein Konzert zum Thema Wasser veranstalten oder im Café Bachs "Kaffeekantate" erklingen lassen. Die Menschen sprechen auf diese Formate gut an. Wobei: Jungfamilien bevorzugen beim Konzertbesuch doch eher ein gewohntes Umfeld. Wer mit sehr kleinen Kindern unterwegs ist, weiß gerne, was ihn erwartet.