Wie tanzte man im biedermeierlichen Wien? Das kann man an Schuberts "Arpeggione" ablesen. Der "Tango Nuevo" in Buenos Aires? Dafür ist Astor Piazzolla allemal ein Kronzeuge. Und ein erzwungener, polit-konformer Tanz in Moskau zur Stalin-Zeit? Nachzuhören bei Schostakowitsch.

So verquer die Zusammenstellung des Programms von Yo Yo Ma (Violoncello) und Kathryn Stott (Klavier) am Donnerstag im Salzburger Haus für Mozart auf den ersten Blick erscheinen mochte - all diese Stücke erzählen etwas vom Tanzen. Natürlich auch jene von Egberto Gismonti, einem 1947 geborenen Brasilianer. Sie fallen stilistisch durch alle Schubladen, weil sie weder Jazz noch Folklore, weder Klassik-Pop noch Barmusik sind. Aber von allem etwas.

All diese Stücke weisen weit übers Tanzen hinaus. In Schuberts "Arpeggione"-Sonate, die Yo Yo Ma so spielt, als ob er tatsächlich eine "Guitarre d’amour" in Händen hielte, dürfen wir getrost ein wenig nachdenken über die Privatheit des Vormärz, über Hausmusik in der Metternich-Ära. Yo Yo Ma hat das Tänzerische fast ein wenig zurückgenommen.

Aber dieses Scherzo!

Die berühmte d-Moll-Sonate von Schostakowitsch ist eines jener Stücke, aus denen voreilige Hörer herauslesen wollten, der Komponist habe sich jetzt endgültig der Zensur gebeugt und der Kunst-Doktrin Stalins hundertprozentig entsprochen. Aber dieses Scherzo! Es ist nicht zu überhören, dass da ein Aufsässiger zum Trepak ansetzt, einer, der in ein folkloristisches Rollenspiel hineingezwungen wird, dem er aber trotzig grimassierend und mit Ingrimm nachkommt.

Gut, dass da noch nicht Pause war, sondern "Le Grand Tango" (eine Komposition von Astor Piazzolla für Mstislaw Rostropowitsch) angehängt wurde. Auch das ist eigentlich ein Stück mit latent durchklingender Aufsässigkeit. Irgendwie ist Yo Yo Ma immer er selbst und doch schlägt er Stück um Stück einen je eigenen Tonfall an, mit leicht verändertem, immer elegantem Timbre. Da wird man hineingezogen in den starken Cello-Sog.

Konzert
Yo Yo Ma (Violoncello)
Haus für Mozart, Salzburg
Übertragung auf Ö1 am
2. September, 19.30 Uhr