Wien. (irr) Wenn ein amerikanischer Künstler am Beginn des 20. Jahrhunderts durch die Provinz tourte, eilte ihm ein zweifelhafter Ruf voraus. Sein Renommee, so schreibt Groucho Marx in seinen Memoiren, lag ungefähr zwischen dem einer Wahrsagerin und eines Taschendiebs.

Nun müssen einem auf solchen Tourneen nicht nur leidende Weltstars in spe begegnen. Die Ausnahme ist Angelika Kirchschlager: Die Salzburger Mezzosopranistin mit dem klingenden Namen von Wien bis New York hat sich in diesem Sommer aus freien Stücken auf eine "Liederreise" begeben. Heißt konkret: Gemeinsam mit dem Pianisten Robert Lehrbaumer ist sie ins Auto gehüpft, hat elf Gemeinden in Österreich und Südtirol angesteuert und eine kalte Kirche dabei ebenso wenig geschmäht wie einen kargen Mehrzwecksaal - ging es Kirchschlager doch um ungeschminkten Direktkontakt mit den Hörern, fernab der Klassikroutine.

Diese Tour de Force im Dienst des Puren ist nun in Buchform nachzulesen. Auf rund 260 Seiten hat die Musikjournalistin Ursula Magnes nicht nur Kirchschlager und ihre rurale Roadshow gewürdigt, sondern auch die bereisten Gemeinden - ohne einen Hauch von Hauptstadt-Arroganz.

Zwar mag man einwenden, dass der Motor in diesem "Liederreisebuch" spät anspringt: Erst ab Seite 142 verwandeln sich Kirchschlager und Lehrbaumer in jene kunstsinnigen Kilometerfresser, die Strauss, Schubert und Schumann in die Dörfer tragen. Bewegungslust macht sich aber auch in den übrigen Kapiteln bemerkbar, die in launigen Gedankensprüngen und griffigen Sätzen manches Wissenswerte aus der Musikhistorie zutage fördern - und Kirchschlagers Naturelle so klar vor Augen führen, dass ihre Entscheidung für die ländliche Erlebnisreise wie ein konsequenter Schritt wirkt. Wie sagt der Mezzo doch: "Ich lebe nicht fürs Singen, das Singen brauche ich für mein Leben."

"Angelika Kirchschlager - Liederreisebuch", Styria, 280 Seiten.