"Bist du vom Himmel herabgestiegen?" Diesmal ganz sicher nicht: Die Hofdame in Nöten erblickt den Retter ausnahmsweise auf dem Boden: Verdis Troubadour muss sich erst aus einer Falltür herausschälen, bevor er sich im kargen Raum aufbauen kann. Und wirklich bedrohlich ist Manrico auch dann nicht anzusehen, ebenso wenig wie sein Widersacher Graf Luna. Mit Halskrause, Rittersbart und Strumpfhose angetan, erinnern die beiden eher an zwei Figuren aus der Lego-Mittelalter-Schachtel. Einer Box, in der noch mehr steckt. Lunas Soldaten zum Beispiel: Schwarz-weiß gewandet und eng gedrängt wie eine Pinguinkolonie, wuseln die Herren mit den Verdi-Zylindern bald verstört umher, weil sie unter Beschuss geraten. Ein Haufen Zigeuner, nein: Gaukler ballert von oben mit Pistolen, ein paar davon schwingen dazu garstig die Jongleurskeule.

Greller Schlusspunkt

Fragt sich nur: Ist das ganz ernst gemeint? Freilich nicht. Regisseur Philipp Stölzl, für Bühnenarbeiten ebenso bekannt wie für Popvideos, hat den "Trovatore" im Theater an der Wien in einen parodistischen Parcours verwandelt - jedoch nur ungefähr bis zur Hälfte mit Absicht. Dass er nach der Festwochen-Premiere relativ wenig Buhs zu gewärtigen hatte, hängt in Summe allerdings wohl nicht nur mit seiner eher durchwachsenen Leistung zusammen. Da kam es Stölzl wohl auch zupass, dass die Festwochen mit dem nämlichen "Trovatore" den letzten Teil einer von Anfang an bizarr konzipierten "Verdi-Trilogie" vorlegten. Fragwürdig war da nicht nur, warum das Festival ab 2011 jährlich ein ohnedies populäres Verdi-Werk inszenierte. Warum bringt es - wenn schon "Trilogie" - diese drei Produktionen nicht heuer, in Verdis 200. Geburtsjahr, geballt heraus? Andererseits: Nach dem biederen "Rigoletto" und der blassen "Traviata" hält sich die Trauer über diesen Verzicht in Grenzen - so man sich dieser Produktionen überhaupt noch entsinnt.

Zumindest diesbezüglich ist nun etwas gelungen: Stölzls krachmandelbunter "Trovatore" brennt sich ins Gedächtnis. Und, dessen darf sich die scheidende Festival-Leitung auch noch rühmen: Es ist zumindest ein Alleinstellungsmerkmal, Verdi ausgerechnet in seinem Jubeljahr mit einer Opernregie, nun sagen wir: zu verulken.

Dieser Ulk bedient sich freilich gewisser Reverenzen: Ästhetisch profitiert Stölzl von Comic-Vorbildern, aber auch Commedia-dell’-Arte-Gesten, und ein kräftiger Schuss "Alice im Wunderland" ist auch dabei. Da weist sich Ferrando als Wiedergänger des verrückten Hutmachers aus, während die Zigeunerin ebenso Insignien der Königin trägt, wie sie mit ihren roten Wuschelhaaren - Kompliment an die kostümbildnerische Fantasie (Ursula Kudrna) - auch irgendwie die Personifizierung eines Zigeunerlagerfeuers ist. Der eigentliche Hauptdarsteller aber: die zwei Videowände hinter der Guckkastenbühne. Was im ersten Moment wie festes Mauerwerk wirkt, entpuppt sich als effektvolle Projektion, die sich immer wieder auflöst, um surreales Bildmaterial oder bunte (wiewohl eher substanzlose) Animationsfilmchen freizulegen.

Plumps, und tot sind sie

Jedoch: Nach der Pause macht diese Mauer fast gänzlich schlapp. Und die Figuren scheinen plötzlich von allen Regiegeistern verlassen: Spätestens, wenn das Liebespaar synchron tot umplumpst, ist man bei der unfreiwilligen Opernparodie angekommen. Es ist zwar nachzuvollziehen, dass Stölzl der wirren "Trovatore"-Handlung misstraut. Ein Grund zum Desertieren ist das aber noch lange nicht.

Und leider: Das Unfreiwillig-Parodistische bricht sich auch musikalisch Bahn. Omer Meir Wellber animiert das RSO Wien bestenfalls zu routiniert-flockigen Klängen. Seine Entschleunigungsversuche schlagen allerdings fehl: Statt delikater Verdi-Exegese kommt es zur Eigenklang-Marginalisierung - ganz abgesehen vom Atemraub an den Sängern. Von denen prunkte Yonghoon Lee (Troubadour) mit Jumbo-Tönen, forcierte aber nicht nur bei den Waffen-Rufen unrühmlich. Carmen Giannattasio (Leonora) beglückte mit lyrischem Legato, kam im Spitzentonbereich aber zu gemischten Resultaten. Wacker dafür: Artur Rucinski als Luna, während der fokussierte Klang von Marina Prudenskaya (Azucena) durchwegs begeisterte. Lob für alle Musiker - der Unmut entlud sich an der Regie.