Feuer am Dach: Till von Orlowsky als Wilhelm Eisenring, Steven Chaundy und Tomasz Pi ê tak in imon Vose è eks Oper. - © Armin Bardel
Feuer am Dach: Till von Orlowsky als Wilhelm Eisenring, Steven Chaundy und Tomasz Pi ê tak in imon Vose è eks Oper. - © Armin Bardel

Irgendwann, vielleicht in den 1930er Jahren. Irgendwo, im idyllischen Ort Vaterstadtuns. In irgendeiner Villa, aber bitte in einer richtig mondänen, ist dieser Gottlieb Biedermann schließlich ein wohlsituierter Haarwasserfabrikant. Max Frischs unglaublicher "Herr Biedermann und die Brandstifter" hält uns westlicher Gutmenschenwelt seit Jahrzehnten den Spiegel mancher Unzulänglichkeiten vor, die Unfähigkeit, mit absurden, aber z.B. die Demokratie gefährdenden Situationen umgehen. Lernen wir daraus? Kann ein Brandstifter ein Brandstifter sein? Erkennen wir manch offensichtliche Gefahr nicht? Oder wollen wir sie nicht erkennen? Und: Kann man Frischs einmalig scharfes Drama in eine kreative, der Vorlage würdige und zeitgerechte Musiktheaterform gießen?

Man kann. Genauer gesagt: Der Wiener Komponist imon Voseèek konnte. Und wie. Voseèek wollte nicht revolutionieren, nicht die Musikwelt umkrempeln, sondern einfach nur 95 durchgängige Minuten lang bewegen. Und zwar mit dem Stück an sich. Als eigener Librettist blieb er der grandiosen Textvorlage (größtenteils) treu, für ihn zählte das Spiel mit den Emotionen.

Dies unterstützten die gekonnt eingesetzten Techniken des Orchesterapparats, die sich der Traditionen der letzten achtzig Jahre Musiktheaters bewusst waren. Und das war gut so. Hier wurden die Parameter Melodie, Harmonie, Rhythmus und Puls großgeschrieben. Den Hörern blieb bei all der plakativ gemachten Ausweglosigkeit à la Alban Berg das oberflächlich provozierte Lachen oft im Halse stecken. Noch appellierte die zarte Cellokantilene an die erzwungene Menschlichkeit des untergehenden Großbürgers (oder doch Spießbürgers?), schon verbreiteten fröhlich pervertierte Zitate zu Don Giovannis Komtur mozart’sches Untergangsfeeling.

Unerträgliche Spannung


Auch wenn - oder gerade weil - der Komponist vor Frischs finalem Brand aufhörte: Die Spannung im Raum schien schier unerträglich. Das lag bestimmt an der starken Besetzung. Stephen Chaundy als verzweifelt blöder Biedermann, Barbara Zamek-Gliszczynska als souverän mit untergehende Ehefrau, Tomasz Piêtak (Schmitz) und Till von Orlowsky (Eisenring) mimten grauslich diabolische Schufte. Dann natürlich das hysterische Dienstmädel Anna (Katharina Tschakert) und der klassisch dramatische Chor - auch in faschistoid anmutenden Knickerbockern konnte die engagierte Bürgerwacht/Feuerwehr das Unheil nicht abwenden.

Das weitere Operndebüt neben dem Komponisten: Béatrice Lachausée und ihrem Team gelang mit der geschmackvoll stringenten Regie eben im 30er-Jahre-Stil ein prächtiger Einstand. Sie machte im weitläufigen Semperdepot mit wenig Aufwand und substanzieller Personenführung viel Stimmung. Und schließlich das amadeus ensemble-wien unter Dirigent und Intendant Walter Kobéra, der sich mit dieser Produktion zum 20-Jahr-Jubiläum seiner Neuen Oper Wien ein schaurig schönes Geschenk machte. Unbedingt hingehen!