
Wien. Vielfältig sind die Möglichkeiten, um als Sopran auf der Opernbühne zu sterben. Da kann man entweder langsam aus dem Leben siechen (siehe "La Bohème), kann robust daraus stürzen (Floria Tosca), kann aber auch still an schierem Herzensleid verenden (wie die Marguerite in Gounods "Faust").
All diese Todesarten ist Angela Gheorghiu, die weltweit gefeierte Rumänin, schon auf der Bühne der Wiener Staatsoper gestorben, nun kommt eine neue dazu: Ab Sonntag mimt Gheorghiu ein Mordopfer, das sogar eingefleischte "CSI"-Fans verblüffen könnte. Adriana Lecouvreur, die Titelheldin von Francesco Cileas Verismo-Oper aus dem Jahr 1902, stirbt nämlich an einem Veilchenstrauß. Genauer gesagt an einem vergifteten. Die Fürstin von Bouillon - Nebenbuhlerin in einem Dreiecksverhältnis, das die Handlung Puccini-artig antreibt - hat es ihr arglistig liefern lassen. Adriana saugt den Duft also auf - und sinkt hernieder. Der Vorhang tut desgleichen. Ende.
Ein Regisseur, "der eine Oper nicht zerstört"
Es liegt nicht nur an dieser pittoresken Wendung, dass "Adriana" - einer historischen Schauspielerin aus der Voltaire-Zeit nachempfunden - von einigen Opernkennern scheel beäugt wird. Als das Royal Opera House das Stück, das dort zuletzt 1906 lief, im Jahr 2010 ausgrub, schrieb ein Kritiker, dass die lange Absenz nicht von ungefähr käme: Cileas Partitur sei jeder Arbeit Puccinis unterlegen, die Handlung "hoffnungslos verworren" und die Charakterisierung der Figuren dünn. Dennoch: Angela Gheorghiu liebt diese "Adriana Lecouvreur". Sie hat die Titelpartie bereits in der besagten Londoner Produktion gesungen, die nun in Wien Einzug hält.
Und: Sie hat damals noch eine wichtigere Rolle gespielt. Covent Garden habe "eine Produktion für Angela gemacht", sagt sie im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Bei jeder Entscheidung habe sie mitgeredet. Vor allem dabei, wer inszeniert. Ihre Wahl: David McVicar. Warum er? Gheorghiu hat den Schotten, der an der Wiener Staatsoper zuletzt einen malerischen "Tristan" inszenierte, schon vor vielen Jahren in London kennengelernt. Genauer gesagt bei Gounods "Faust". Was Gheorghiu vor allem an McVicar schätzt: Er sei eine Person, "die eine Oper nicht zerstört, um mit einem Skandal Erfolg zu haben".
"Schrecklichste Erfahrung": Gounods "Faust" in Wien
Man muss kein Meisterdetektiv sein, um dieser Aussage zu entnehmen: Gheorghiu ist keine Freundin des Regietheaters. Ja, sie ist ihm spinnefeind. Die 48-Jährige lehnt schon die Idee ab, eine Opernhandlung in eine andere Zeit zu bugsieren. Dann bräuchte das Werk einen neuen Titel, sagt sie. Und mit profanen Fremdkörpern in klassischen Werken - einem WC etwa oder unbekleideten Menschen - kann sie schon gar nichts anfangen. "Wenn man nackte Leute auf der Bühne zeigen will, soll man eine eigene Porno-Oper machen", redet sich Gheorghiu in Rage. Die nächste Generation habe ein Recht, die Werke so zu sehen, wie sie gedacht waren. Und: "Verrückte Inszenierungen werden langweilig, klassische nie." Prüft Gheorghiu vor dem Einstieg in eine Produktion, ob es sich eventuell um eine "verrückte" handeln könnte? "Ja, immer. Weil ich mich verantwortlich fühle."