Von Lienz nach Wien - das ist zwar keine Weltreise, kann aber doch einen Kulturschock auslösen. So ist wenigstens zu erklären, dass sich in einem Konzertzyklus unter dem Motto "Migrant- Innen" auch Bernhard Gander wiederfindet. Anders als die meisten Werke des Exil-Osttirolers verzichtet "Take nine", mit dem das Klangforum sein Abonnementkonzert eröffnete, auf außermusikalische Bezüge. "Typisch Gander" ist dagegen die Tendenz zum Brachialen, die in dieser blockartig-repetitiven Satzart etwas zu vorhersehbar wirkt.

Georges Aperghis ist zwar weiter gereist als sein Kollege, dafür aber näher am Klangbild "konventioneller" Neuer Musik. Wohl darf die von Olivier Vivarès fulminant bediente Solo-Klarinette in "Babil" bisweilen schrill tönen, doch überwiegt eine differenzierte Klanglichkeit in diesem Dialog zwischen Solist und Ensemble, der sich zu einem instabilen Gebilde fügt. Von fast klassisch anmutender Klarheit sind dagegen György Kurtágs kurze Grußbotschaften ("Brefs Messages").

Wie seine Kollegen aus Griechenland und Ungarn verschlug es auch den Portugiesen Emmanuel Nunes nach Paris. Seine halbstündigen "Wandlungen" warten mit einer solchen Fülle an Ereignissen auf, dass es schwerfallen kann, die (gewiss vorhandenen) Strukturen hörend nachzuvollziehen. Eine Reise also - nicht nur von Europas Rändern in eines seiner Zentren, sondern auch von heiterer Schlichtheit bis zu überfordernder Komplexität. Das Klangforum zeigte sich unter der Leitung von Emilio Pomàrico beidem gleichermaßen gewachsen.