Die Wiener Philharmoniker haben ein Faible für traumhafte Erinnerungen. Vor genau einem Jahr präsentierte man René Staars kurzweilige Komposition "Time Recycling", die das Wiedererleben verflossener Momente thematisiert. Nun, zum Auftakt der Festwochen-Musikfest-Reihe im Konzerthaus, erweiterten die Philharmoniker unter der Leitung von Daniel Harding diese Konzeption mit Olga Neuwirths "Masaot/Clocks without Hands" um den aussichtslosen Kampf gegen die Zeit. Das Stück wirkt wie transzendentaler Sog, der den Hörer von einer melodischen Insel zur nächsten trägt, sich letztlich im Nichts auflöst und dabei den Eindruck macht, als würde es einer tickenden Uhr die Arme amputieren. Von Beginn an nimmt dieses Meisterwerk, das Neuwirth selbst überraschend als "vielleicht ironisch-wehmütigen Abgesang einer österreichischen Komponistin" bezeichnet, Bezug auf Mahlers Erste Symphonie. Neben bekannten Motiven, die in verwandelter Form in späteren Momenten wieder auftauchen, fließen an die Musik der Roma erinnernde Volksweisen zwischen Balkan, Ungarn und Wien ein.
Scharfer Kontrast mit Mahler
Nach der Pause sorgten der dunkle Bariton von Matthias Goerne, fast durchgängig im Piano, und der hell timbrierte Tenor von Florian Vogt, sich kraftvoll mit den Orchesterwogen vereinend, in Mahlers "Lied von der Erde" für größtmöglichen Kontrast. Den letzten Satz dehnte Harding gefühlt ins Endlose. Bei den finalen Worten "ewig, ewig" war mancher Zuhörer bereits im Traumland, was dem Abend eine thematische Abrundung verlieh.