(irr) Im Programmheft sieht man ihn noch: Vom Betrachter abgewandt, schreitet der greise Maestro in einem Mantel über ein Feld - als würde "Nikolaus Harnoncourt, 1929-2016", wie es oben auf der Seite heißt, auf jenseitigen Pfaden wandeln. Eine Parte ist dies aber nicht, sondern eine Anzeige: Die Firma Sony bewirbt ihre letzte Aufnahme mit der Dirigentenlegende apotheotisch-huldvoll.
Um Harnoncourts hinterlassene Konzertpläne umzusetzen, bedurfte es freilich schnöderer Schritte: Es musste Dirigentenersatz her, auch für das Saisonfinale des originaltönenden Concentus Musicus im Großen Musikvereinssaal. An sich als Endpunkt für die Beethoven-Beschäftigung des Ensemble-Gründers geplant, leitete nun Diego Fasolis, 58-jähriger Schweizer und Alte-Musik-Spezialist, die Neunte.
Tönende Rohkost
Am Sonntag klang sie vor allem rastlos. Fasolis peitschte das Werk in rund 70 Minuten durch - als eine Art Ode an die Eile. Und weil im Orchester nicht jeder die Präzision des Paukisten besaß, entstand der Eindruck tönender Rohkost.
Nun kann zwar auch eine eher unsortierte Inbrunst die Hörerschaft packen - und das gelang hier im kantigen Kopfsatz ebenso wie in einem Scherzo, das auf Tempo-Zäsuren verzichtete und so die Musik strömen ließ. Das Adagio aber schien aller Poesie entkleidet, und das Finale blieb vor allem darum im Kopf, weil ein Kind (?) in eine Generalpause hineinjodelte. Glanzpunkte setzte indes das Solistenquartett (vor allem die fokussierte Genia Kühmeier, aber auch Wiebke Lehmkuhl, Steve Davislim, Luca Pisaroni): Es überstrahlte auch einen (ausnahmsweise) nur soliden Arnold-Schönberg-Chor.