Bayreuth. Manchmal hat man auf dem Grünen Hügel in Bayreuth wirklich Glück und es gelingt Festspielchefin Katharina Wagner, aus der Not eine Tugend zu machen. Jedenfalls aus der, die entstand, weil der vorgesehene Dirigent der Eröffnungspremiere von Deutschlands einzigem Festival mit Weltgeltung am 25. Juli, der designierte Gewandhauskapellmeister Andris Nelsons hinschmiss. Sie zauberte binnen weniger Tage einen Ersatz aus dem Hut, der wirklich erste Wahl ist. Und zwar ohne Wenn und Aber. Hartmut Haenchen (73) wird einspringen und übernehmen.
Haenchen, der seine musikalische Karriere in Dresden als Kruzianer und dann in Halle als Dirigent der Philharmonie und Direktor der Robert-Franz-Singakademie begann, ist ein Dirigent der Spitzenklassen, der in Deutschland notorisch unterschätzt wird und vor allem in Holland eine blendende Karriere hinlegte. Dort prägte er 20 Jahre lang höchst erfolgreich das Musikleben des Landes entscheidend mit. Den ersten szenischen Nibelungen-Ring in Amsterdam (über 30 Mal dirigierte er dort den Zyklus) machte er zu einem Ereignis. Eins, an das man vor allem wegen der musikalischen Qualität bis heute gern zurückdenkt.
Als man 2011 gebannt seinem Parsifal in Brüssel folgte, wünschte man sich ihn von da an nach Bayreuth. Gerade für dieses Werk, das speziell fürs Festspielhaus komponiert wurde. Haenchen hatte sich für dessen Aufführung schon in der DDR starkgemacht. In den Jahrzehnten seiner Beschäftigung mit diesem Bühnenweihfestspiel ist er zum perfektionistischen Parsifal-Spezialisten schlechthin gereift. Ein mit dem Stück vertrauter Partitur-Durchpflüger und -Neubefrager.
Damals hatte er sich auf ein Tempo eingestellt, das bewusst der Kritik des Komponisten an der Uraufführung folgte und jedes weihevolle Zerdehnen vermied. Wenn er dabei bleibt, dann wird man am 25. Juli erleben dürfen, wie eine dramatisch zuspitzende, transparente Deutung unter den akustischen Ideal-Bedingungen des Festspielhauses klingt. Wie immer Uwe-Erik Laufenbergs Inszenierung ausfallen mag - Haenchen und Parsifal in Bayreuth, das passt so gut zusammen, dass man sich fragt, wieso die Festspielleitung, nicht auch ohne die Beinahe-Katastrophe, nach Nelsons Ausstieg, darauf gekommen ist. Da Christian Thielemann inzwischen ausführlich seine Unschuld beteuert hat und Nelsons über Andeutungen seiner Agentur nicht hinauskommt, wird diese Causa wohl ein Geheimnis der Bayreuther Festspiele bleiben. Die so was offenbar brauchen. Wie die Wagnerianer ihre Musik.