Es ist nach wie vor ein gewöhnungsbedürftiger Anblick. Der Concentus Musicus spielt und am Pult steht nicht: Nikolaus Harnoncourt. Es ist ein Anblick, der schmerzliche Realität ist und bleiben wird. Nach dem Tod des Ensemble-Gründers und zu Lebzeiten einzigen Dirigenten im März ist der Concentus gezwungen, ein Leben ohne Harnoncourt zu beginnen. Einen wichtigen Schritt auf diesem Weg unternahmen die Musiker am Montag bei den Salzburger Festspielen. Dort hatte Harnoncourt eine Wiederbegegnung mit Ludwig van Beethoven begonnen, die er mit der Neunten vollenden wollte. Mit Andrés Orozco-Estrada am Pult wurde der Abend nun zu einem Gedenkkonzert für einen Künstler, der den Festspielen gut zwei Jahrzehnte lang "wahrhaft Unerhörtes geschenkt hat", wie es Präsidentin Helga Rabl-Stadler formulierte.

Die Energie und Entschlossenheit, mit dem Orozco-Estrada sich in diesen Giganten unter den Symphonien stürzte, hätte Harnoncourt wohl gefallen. Rasante Tempi, harsche Konturen, effektvoll gesetzte Generalpausen prägten die ersten beiden Sätze. Als entrückt selige Insel formte er den dritten um die Finale "Ode an die Freude" als aufrichtigen Hoffnungsruf einer in Misslage befindlichen Welt zu gestalten.

Auch wenn nicht jede Idee Früchte trug: Dem Kolumbianer gelang eine charaktervolle Lesart. Die Lücke, die Nikolaus Harnoncourt hinterlassen hat, ist nicht zu schließen. Diese respektvoll traurige Erkenntnis stand über dem Abend. Der Concentus setzte gerade deshalb ein entschlossen vitales Lebenszeichen.