Wien. "Bitte hinter die gelbe Sicherheitslinie!" Wer am Donnerstag zum Sommernachtskonzert fuhr, der stand ab der U4-Station Schönbrunn unter Aufsicht. Megafone der Wiener Linien verlauteten Direktiven, eine Heerschar an Wegposten leitete die rund 90.000 Menschen weiter. Deren Marschroute hat sich heuer verändert: Die Wiener Philharmoniker schlugen ihre Bühne erstmals vor dem Schloss auf statt beim Neptunbrunnen vor dem Gloriette-Hügel, beschallten den Park also von der anderen Seite. Das Erfreuliche: Die Maßnahme reduzierte das bisherige Hallproblem tatsächlich - und die Massen erreichten das Gratiskonzert doch friktionsfrei.

Es gab da aber auch ein retardierendes Moment: den neuen Sicherheits-Check. "Sind im Rucksack Flaschen?" Wer ja sagte, war sie gleich los. Wobei sich am Gelände natürlich Ersatz finden ließ; er schlug aber empfindlich teurer zu Buche als beim Diskonter am Eck. Ein anderes Problem, das die Stammgäste bereits kennen: das alte Rauf-Runter-Spiel mit den Sicherheitsleuten. Das geht so: Wer auf den Kieswegen des Parks nicht steht, sondern sitzt (die Grünflächen sind ohnehin tabu), wird irgendwann aufgescheucht, weil er die Fluchtwege blockiert. Lässt man sich nach einer Respektminute erneut nieder, beginnt eine weitere Spielrunde. Davon gehen sich einige aus, wenn man zwecks guter Sicht auf die Bühne und die Bildschirme früh angereist ist.

Festival der Handykameras

Rund 100 Eurovisions-Hymnen und Rolex-Werbungen später begann dann fast schon das Sommernachtskonzert. Davor meldete sich aber noch ORF-Kulturstimme Barbara Rett. Im Gegensatz zur TV-Übertragung hörte man sie in Schönbrunn nur einmal - mit einem Appell an den Gloriette-Hügel. Der hatte sich an diesem nicht sommerwarmen, aber doch frühlingshaften Abend mittlerweile in einen menschlichen Ameisenhaufen verwandelt. Ihr da oben, bitte, werdet nicht noch mehr! Durchzusetzen war das aber kaum: Die Anhöhe gilt offiziell nicht als Veranstaltungsort, obwohl dort tatsächlich Tausende lauschten. Dabei war der Hügel heuer umso attraktiver, als er erstmals von den Lautsprechern mitbeschallt wurde. Für die Parkbesucher wiederum schön: Sie sahen die Anhöhe heuer in ihrer vollen Pracht, weil keine Bühne dazwischenstand - was nur so nach Fotos schrie. Klickklickklick machten das Handy, die Pocketkamera, die Spiegelreflex.

Musik gab es natürlich auch. Die Philharmoniker hatten ein gefälliges Programm geschnürt und es Dirigent Christoph Eschenbach überantwortet (ab 9. Juni auf CD). Er agierte, leider, mit wechselnder Fortüne: Dvořáks "Carneval"-Ouvertüre fiel allzu grob mit der Tür ins Haus, das "Lied an den Mond" wurde von Renée Flemings Hochglanzstimme geadelt, aber von zähen Tempi getrübt. Und auch die Häppchen aus Tschaikowskis "Dornröschen"-Ballett konnten nur streckenweise Leichtigkeit freisetzen. Immerhin: In der Ouvertüre zu Humperdincks "Hänsel und Gretel" stellte sich mitunter Magie ein (während der Bildschirm ausnahmsweise nicht dem Neptunbrunnen huldigte, sondern den Tieren im nahen Zoo); und das Finale von Strawinskis "Feuervogel" tat schließlich am Ende des regulären Programms seine fulminante Wirkung. Beim Verlassen des Parks ließen einen zwei Schilder stutzen: "Stop!", "Please keep calm!", hieß es da. Man durfte aber aufatmen: Sie dienten nur der Verkehrsregelung der Massen.