"Die Aufführung der Meistersinger wird jedem Musikfreund ein denkwürdiges Kunsterlebniß bleiben, wenn auch keines von jenen, deren echter Schönheitssegen uns beglückend und läuternd durch’s Leben begleitet. Wir erblicken in dieser Oper keine Schöpfung von tiefer Ursprünglichkeit, von bleibender Wahrheit und Schönheit, sondern ein geistreiches Experiment, das durch die zähe Energie seiner Durchführung und die unleugbare Neuheit nicht sowohl des Erfundenen, als der Methode des Erfindens frappiert."

Diese, von dem bedeutenden Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick verfasste Betrachtung über Richard Wagners "komische Oper" lässt ein gewisses Unbehagen erkennen, das den konservativ ausgerichteten Musikkenner generell bei der Beschäftigung mit Wagners Musik beschlichen hat. Wenn seine Gedanken auch keineswegs mit den Jubelstürmen korrespondieren, die nach der Münchner Premiere der "Meistersinger von Nürnberg" am 21. Juni 1868 über den Komponisten losbrachen, so scheint Hanslick doch einen jener Nerven getroffen zu haben, die dieses "geistreiche Experiment" bis zum heutigen Tag durchziehen.

Wagners "Humor"

Denn diese "Methode des Erfindens" leistet ihrem Schöpfer und dessen Affinität auch zur Selbstinszenierung den idealen Vorschub: Die begeisterte Aufnahme der "Meistersinger" wird bereits nach dem Ende des zweiten Aktes erkennbar, als sich der Komponist aus der Loge des Königs heraus vom begeisterten Publikum feiern lässt, - was nun eindeutig der Münchner Hofetikette widerspricht, welcher der Wagner-Verehrer Ludwig II. jedoch ohnehin nur in seltenen Fällen Folge leistet. Hanslick meint dazu in seiner Kritik des Premierenabends lakonisch, einige hofften, "es werde nun auch der König herausgerufen werden".

In der Zeit der intensiven Vorarbeiten zur Oper wird ebenfalls in München die Scheidung zwischen dem Dirigenten der Premiere, Hans von Bülow, und dessen Ehefrau Cosima vollzogen, die sich bekanntermaßen mit dem verehrten Komponisten eingelassen hat und in späteren Jahren zur Herrin von Bayreuth avancieren wird. Diese Vor-Premieren-Situation entbehrt nicht des unfreiwilligen Humors: Cosima reist am 20. Mai nach München; Wagner folgt ihr am Tag darauf dorthin und wohnt in der Zeit der Premierenvorbereitung - bei den Bülows.

Auch wenn diese beiden sarkastischen Momente sich in Bereichen außerhalb des Bühnengeschehens abspielen, überragen sie eindeutig dessen Humorpotential. Nicht ohne Grund bezeichnet der kritische Wagner-Verehrer Carl Dahlhaus die "Meistersinger" als "das Werk eines Humors, dem nicht zu trauen ist". So bringt etwa Magdalena zu Beginn des zweiten Aufzuges ihrem "lieb Schätzel", dem Lehrbuben David, einen Essenskorb, den sie ihm aber sofort wieder entzieht, als dieser ihr mitteilt, dass der "Ritter" im ersten Aufzug seine Chancen, durch ein Lied die Hand Evas zu gewinnen, "versungen und vertan" habe.