Die Meister des Experiments, die unerschrockenen Botschafter des Neuen - dies sind nicht die Zuschreibungen, mit denen man normalerweise die Wiener Philharmoniker bedenkt. Eher steht das Traditionsorchester für das Altbewährte. Umso löblicher, dass der Klangkörper zur Eröffnung der diesjährigen Ausgabe des Festivals "Wien Modern" Neuland betrat - in Übereinstimmung mit dem Festivalmotto "Sicherheit", das ex negativo gerade den Mut zum Risiko befeuern will.

So berief man sich auf den Experimentator John Cage, dessen stilles Stück "4‘33‘"‘ das Festival eröffnete und die mittlerweile in die Rezeptionsgeschichte eingegangene Beobachtung erlaubte, dass in einem Saal voller Menschen niemals Stille herrscht - wobei einige gegen Ende hin crescendierende Hust-Soli aus dem Publikum der Interpretation eine unverwechselbare Note verliehen.

Wo auf die Sicherheit gepfiffen wird, ist freilich das Scheitern nicht weit. "Sixty-Eight" ist eines der späten "Number Pieces" von Cage, deren Titel schlicht die Besetzungsgröße angibt. Innerhalb vorgegebener Zeitfenster entscheidet hier jede Musikerin, jeder Musiker selbstständig über Beginn und Ende vorgegebener Töne. Die an- und abschwellenden, von Generalpausen durchbrochenen Unisoni offenbarten indes die Krux konzeptueller Kunst, bei welcher der sinnlich-ästhetische Aspekt gegenüber dem experimentellen ins Hintertreffen gerät.

Unschärfen des Lichts

Johannes Maria Staud schließlich hat "Scattered Light" eigens für diese Aufführungssituation komponiert, wobei ein durchgehender Puls den dirigentenlosen Zusammenhalt garantiert. Allerdings tilgt auch der Umstand, dass die Schläge nicht immer exakt zusammenstimmen - eine Unschärfe, auf die das "Streulicht" des Titels verweist - nicht den Eindruck rhythmischer Starre, der an ein Üben mit Metronom erinnert und zur grundlegenden Offenheit Neuer Musik im Widerspruch steht. Der erzwungenen Vereinfachung des Rhythmus entspricht eine Komplexitätsreduktion des musikalischen Materials, die das leicht unbefriedigende Gefühl eines nicht ausgeschöpften Potenzials zurücklässt.

Dafür boten die von Konzertmeister Rainer Honeck sanft
angeleiteten Philharmoniker in der ersten Konzerthälfte eine hellwache, zwischen Zartheit und Emphase changierende Version von Schönbergs "Verklärter Nacht" in der Version für Streichorchester - hier hätte ein Dirigent nur gestört.