Einer der spannendsten Anton-Bruckner-Zyklen entsteht derzeit beim Gramola-Label: Rémy Ballot hat die Sinfonien 3, 5, 6, 8 und 9 bereits vorgelegt - jetzt ist die Siebente erschienen. Erstaunlich, welche Leistung Ballot aus den Orchestern hervorholt. Die Sechste mit dem Oberösterreichischen Jugendsinfonieorchester oder nun die Siebente mit dem aus Profimusikern und Nachwuchsmusikern zusammengesetzten Altomonte Orchester St. Florian: Da gibt es Einspielungen, in denen gestandene Vollprofi-Orchester schwächer klingen.

Ballot ist Schüler von Sergiu Celibidache. Wie er lehnt Ballot die subjektive Interpretation ab und versucht, dem Willen des Komponisten zu entsprechen. Voraussetzung: Die Partitur wird genauer gelesen als von vielen anderen. Tatsächlich hört man in dieser Siebenten viele bisher übergangene Details, die Ballot jedoch nicht in Entdeckerfreude betont, sondern der Gesamtwirkung unterordnet. Am meisten aber verblüfft, wie leicht dieses Werk bei Ballot klingt: Vernünftige Temporelationen sind die Basis, aber auch die Balance des Orchesters trägt zu diesem Eindruck bei. Selbst das Adagio scheint, aller irdischen Schwere entkleidet, zu schweben: Eine ebenso überraschende wie überzeugende Interpretation dieses Werks.

Der Cover schreibt das falsche Werk ganz groß, nämlich die "Hymn to St. Cecilia", die zwar eines der wundervollsten A-cappella-Werke ist, die Benjamin Britten geschaffen hat (allein diese Jahrhundert-Melodie auf "O dear white children"!), aber das Hauptwerk der CD ist wohl doch "A.M.D.G." (Ad majorem Dei gloriam - zur höheren Ehre Gottes) nach den komplexen metaphysischen Gedichten von Gerald Manley Hopkins: Eine echte Überraschung, denn Britten, der dieses Werk 1939 komponiert hat, als er sich in den USA aufhielt, hat es aus irgendeinem Grund nie veröffentlicht und seiner Operette "Paul Bunyan" dieselbe Opuszahl 17 zugewiesen. Ein Nebenwerk also, würde man vermuten. Doch der Irrtum könnte kaum größer sein. Denn "A.M.D.G." ist eine rund 20-minütige Chorkantate, in welcher der Komponist die Mystik der Dichtungen mit klaren neoklassizistischen Konstruktionen und Süße mit Herbheit verbindet. Diese Musik hat etwas, vergleichbar der Renaissance-Plastik und -Malerei, in der Wahrheit und Schönheit in Wechselwirkung standen: ein Meisterwerk. Weiters bemerkenswert auf der CD: Die Chortänze aus "Gloriana" mit ihrem Brückenschlag zwischen elisabethanischer und zeitgenössischer Musik und die ihnen verwandten "Flower Songs". Der RIAS Kammerchor unter Justin Doyle singt stilsicher Brittens Wurzeln in Purcell quasi mitbedenkend. Besser geht‘s nicht!