Die Tage sind vorbei, als die Klassik-Stars im Tonstudio noch Kraut und Rüben einspielen konnten und sich das Ding schon verkaufte, wenn der Name nur groß genug draufstand. Heute ist neben Glamour auch etwas anderes vonnöten: Konzept. Anna Prohaska hat das vor fünf Jahren auf die Spitze getrieben: Ihr Album "Behind the Lines" (Deutsche Grammophon) verband Kunstlieder aus verschiedenen Epochen zu einem geistreichen Panorama im Gedenken an den Ersten Weltkrieg.

Nun legt die Berliner Lautten Compagney ebenfalls ein Konzeptalbum zum Thema Krieg vor, und es ist intellektuell denkbar hoch gerüstet. Zu hören ist Vokalmusik aus dem Dreißigjährigen Krieg - ein Feld, auf dem das Ensemble seine Kompetenz im barocken Originalklang voll ausspielen kann. Andererseits ertönt auch eine Musik, die 300 Jahre später entstand, und zwar in den drei Dezennien zwischen Ausbruch des Ersten und Ende des Zweiten Weltkriegs. Vertreten wird diese Ära hier vor allem durch den österreichischen Komponisten Hanns Eisler und Friedrich Holländer, einen Bühnen- und Filmmusiker. Das Klangbild ihrer Lieder ist allerdings massiv verändert worden. Um die Grenze zwischen den Jahrhunderten zu verwischen, wurden Holländers "Lieder eines armen Mädchens" und Eislers Brecht- Vertonungen ebenfalls in barocke Arrangements gesteckt.

Ein mutiger Ansatz, der fallweise an Mutwille grenzt: Manch ein Holländer-Lied war wohl weniger als düsteres Zeitdokument gedacht denn als Sprachrohr Berliner Humors. Das Barockmäntelchen wirkt da aufgesetzt. Andererseits entsteht bei der Grätsche über 300 Jahre immer wieder ein delikates Zwielicht: Was von Eisler stammt, was von Heinrich Schütz, ist aufs Erste mitunter nicht erkennbar. Reizvoll auch die Melancholie, die das Doppelalbum durchwebt und im Silbersopran von Dorothee Mields und der geschmeidigen Lautten Compagney exzellente Fürsprecher findet.

"Bye-Bye Berlin" beschränkt sich auf Musik der Zwischenkriegszeit und leuchtet hier ein breites Spektrum aus: Das Album setzt der deutschen Metropole rund um die 20er Jahre ein Denkmal - eine Ära, in der Kurt Weill noch Romantisches schrieb, aber auch schon Bertolt Brecht und dem Jazz zuarbeitete, Eisler den Nazis ein liedhaftes "Nein" entgegenstellte und Holländer Filmklassiker wie "Der blaue Engel" mit Ohrwürmern veredelte. Das alles glänzt auf diesem Album dank eines Streichquartetts: Das Quatuor Manfred ist in der Klassik ebenso heimisch, wie es unter der Beteiligung eines Saxofons (Raphaël Imbert) Kabarett-Zauber zu entfalten versteht. Die Sängerin Marion Rampal berückt weniger durch Klangfülle als ihre akustische Bühnenpräsenz und einen mondänen französischen Akzent.