Mit Joseph Marx ist das so eine Sache: Genau genommen hat Richard Strauss Komponisten dieses Stils überflüssig gemacht. Wenn’s nur nicht gar so schön klingen würde. . . Unlängst ist auf cpo Marx’ "Herbstsinfonie" erschienen, überwältigend dirigiert von Johannes Wildner, der diesen Koloss in einen nachromantisch-impressionistischen Klangrausch verwandelt; und nun eine CD beim Naxos-Label mit den "Alt-Wiener Serenaden", der "Partita in modo antico" und der "Sinfonia in modo classico".

Die "Serenaden" erinnern in der Machart an die Alte-Musik- und Mozart-Reverenzen von Richard Strauss, etwa in "Schlagobers". Marx beherrscht virtuos seine konventionelle Satztechnik und färbt sie instrumental bunt ein. Die "Partita" und die "Sinfonie" sind Streichorchester-Fassungen von Streichquartetten - sie lassen etwas ratlos zurück. Wieder ist Marx’ Technik bewunderungswürdig. Aber der Stil basiert so völlig auf Anverwandlungen von älterer Musik, dass man sich nicht ganz der Frage zu entziehen vermag, warum ein Komponist eine von Haydn, Mozart und Beethoven und zur Perfektion gebrachte Ästhetik ohne persönliche Stellungnahme wiederkäut. Klingen tut das Ganze freilich wunderbar - und wird von den Bochumer Symphonikern unter Steven Sloane auch glänzend musiziert.

Auch Gottfried von Einem war im Grunde seiner Komponistenseele ein Konservativer - aber bei ihm sind die Ergebnisse doch ganz anders, nämlich geprägt von einer ungeheuer starken Persönlichkeit, die sich in jedem Takt darstellt.
"Hunyadi László" sind ein spätes Orchesterwerk, dass Einem seinem leiblichen Vater gewidmet hat: ein wunderbares Wechselspiel zwischen herbstlich getönter Nostalgie und Energieschüben. Das "Konzert für Orchester" hingegen ist ein frühes Werk mit jubelnden Streichern, bittersüßen Kantilenen und jazzigen Rhythmen, die bei der Uraufführung durch Herbert von Karajan in den Ohren der nationalsozialistischen Machthaber wohl gehörig verrucht geklungen haben müssen. In der "Serenade für doppeltes Streichorchester" zeigt sich Einem von einer besonders zugänglichen Seite: Die Rhythmen klingen tänzerisch, die Melodien möchte man nie wieder aus dem Ohr verlieren. Und dann das "Nachtstück": Ein wunderbarer Satz, der die Musik eines Bruckner und eines Mahler, ja: auch die eines Schubert in seinen schönsten Momenten der melodischen Begnadung ganz in die eigene Persönlichkeit verwandelt: Diese Musik ist charakteristischer Einem, neu kraft der persönlichen Aussage, und doch tief verwurzelt in der österreichischen Tradition. Johannes Kalitzke sorgt am Pult des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin für mustergültige Aufführungen. Ein Muss!
