Unlängst war an dieser Stelle von Mario Venzagos höchst problematischen Einspielung von Othmar Schoecks höchst problematischer Oper "Das Schloss Dürande" die Rede. Nun legt derselbe Dirigent auch eine beglückende Aufnahme von Schoecks entzückender szenischen Kantate "Vom Fischer un Syner Fru" vor. Das Märchen steht in der Grimm-Sammlung, stammt aber von Philipp Otto Runge. Willi Schuh hat den Text ganz nahe an der Vorlage geschrieben. Die Handlung kennt jeder: Der Fischer schenkt einem Butt die Freiheit, der ihm dafür jeden Wunsch erfüllt. Der Fischer selbst wäre wunschlos, nicht aber seine Frau Ilsebill, die Königin, Päpstin und dann sogar der liebe Gott sein will - und wieder dort landet, wo sie zu Beginn war.

Schoeck schreibt eine Variationenfolge über das im Vorspiel exponierte Thema. Das Werk quillt, bei aller konzentrierter thematischer Arbeit, über vor eigenartigen harmonischen Ideen und im Ohr haftenden Melodien. Venzago beginnt ganz behutsam und steigert das Geschehen bis zum letzten Zwischenspiel, das mit atemberaubender Gewalt hereinbricht: Ist das wirklich nur ein Kammerorchester? - Ja, tatsächlich, Schoecks virtuose Instrumentierung täuscht. Rachel Harnisch, Jörg Dürmüller und Jordan Shanahan interpretieren die drei Gesangspartien makellos.

Benjamin Britten gilt als Bannerträger einer gemäßigten Moderne. In seiner Kantate "Childrens Crusade" allerdings befindet er sich in Augenhöhe mit den Komponisten der Neuen Musik - die er alle an unmittelbarer Emotionalität übertrifft. Der "Kinderkreuzzug" ist eine Vertonung der gleichnamigen Ballade Bertolt Brechts, der schildert, wie Kinder in der Zeit der NS-Diktatur durch Polen ziehen und zugrunde gehen.

Britten besetzt das Werk mit einem großen Kinderchor, dazu kommen zwei Klaviere, eine elektronische Orgel und zwei Gruppen von Schlagzeugen, wobei in einer die Instrumente vorgeschrieben sind, in der anderen können sie weitgehend frei gewählt werden. Die harmonische Basis ist eine Zwölftonreihe, die Sprache des Werks ist herb und oft aggressiv, ehe sich verhaltene Trauer manifestiert. Die Widmung an Hans Werner Henze, der sich zu dieser Zeit politisch links engagierte, ist kein Zufall. Es ist eines von Brittens aufwühlendsten Werken.
Bisher gab es nur Einspielungen der englischen Fassung. Manfred Ehrhorn, der Braunschweiger Jugendchor und Musiker und Musikschüler der Städtischen Musikschule Braunschweig legen erstmals die deutsche Version mit Brechts Original vor - und übertreffen alle anderen Einspielungen, auch die Brittens, an unmittelbarer Emotionalität. Man kann sich dem Sog dieser Aufnahme unmöglich entziehen. Hier wird Musik zur humanitären Botschaft. Ein Muss!