Komponisten-Jubiläen sind eine zwiespältige Sache: Natürlich ist es würdig und recht, Beethovens 250. Geburtstag zu feiern. Dieses Wiegenfest im nächsten Jahr wird den Symphonien des Bonners aber wohl eine solche Omnipräsenz bescheren, dass man am besten jetzt gleich mit dem Ludwig-van-Fasten beginnt.

Erkenntnisreicher ist der Fall, wenn ein kleinerer Namengefeiert wird. Wie heuer Mieczysław Weinberg (1919-1996). Hundert Jahre wäre der gebürtige Pole heuer geworden, sein Leben war mehrfach gefährdet durch eine jüdische Herkunft. Nach dem Überfall der Nazis auf Polen floh er in die UdSSR, seine Familie wurde ermordet. Als Stalins Antisemitismus immer paranoidere Züge annahm, geriet der Tonsetzer in Haft und wurde erst nach dem Tod des Despoten entlassen. Es kommt nicht von ungefähr, dass sein Hauptwerk auf die NS-Gräuel zurückblickt: Seine Oper "Die Passagierin" aus dem Jahr 1968 kreist um eine ehemalige KZ-Insassin, die auf einem Ozeandampfer eine Lagerwärterin wiedertrifft. Erst 2010 ist dieses Erinnerungsdrama bei den Bregenzer Festspielen szenisch uraufgeführt worden und trug Weinberg posthum Anerkennung im Westen ein.

Was aber ist mit seinen Symphonien? 21 hat er abgeschlossen, eine so unbekannt wie die andere. Mirga Grainyte-Tyla, Leiterin des City Of Birmingham Symphony Orchestra, will das ändern. Unterstützt von Gidon Kremer an der Sologeige, hat sie zwei dieser Weinberg-Werke eingespielt. Vom ersten Ton ist dabei die Nähe zu einem Komponistenkollegen und Freund unüberhörbar - nämlich Dmitri Schostakowitsch. Dessen Adagio-Klangsprache scheint auf Weinberg tiefen Eindruck gemacht zu haben, auch der Kniff, ein Solo-Instrument über weiten Akkordflächen lamentieren zu lassen. Allerdings: Schostakowtischs Domäne, die wuchtigen Märsche und knackigen Scherzi, finden sich nicht in Weinbergs Symphonien 2 und 21. Eher suchen da filigrane Kontrapunkt das Heil im Introvertierten. Die Crux an diesen Stücken ist freilich, bei aller Wertschätzung: Fast nirgends eine Melodie, die Prägnanz besäße und sich als roter Faden durchs Geschehen zöge. Diese Musik berührt immer wieder, besticht aber nicht.
Einen programmierten Erfolg liefert derzeit dagegen Elina Garanča. Der Weltstar unter den Opernmezzos genehmigt sich einen Abstecher ins Fach der südlichen Gassenhauer und durchsingt an der Seite von Dirigentengatte Karel Mark Chichon Schmachtfetzen wie "Musica proibita" und Zugnummern der Marke "Granada". So manches Orchester-Kleid ist zwar zu dick geraten für die schwülen Verhältnisse; dafür wirkt Garančas Vollklang in dem Umfeld nicht wie ein Fremdkörper. Insgesamt tönende Kulinarik, belebt von einer vitalen, mitunter auch brennheißen Luxusstimme im Zentrum.