Welch ein Werk! Für die Salzburger Festspiele des Jahres 1966 wurde Hans Werner Henze mit einer Oper beauftragt. Der gerade einmal vierzigjährige Komponist, der seine jugendliche Bürgerschreck-Phase seit einigen Jahren überwunden hatte (und wenig später für einige Jahre aus linkspolitischen Gründen in sie zurückfallen würde), reagierte mit einem Werk, wie es für Salzburg nicht besser passen hätte können: "Die Bassariden" stehen ganz in der Richard-Strauss-Tradition. Der luxuriöse Charakter des Werks, das expressis verbis als "Opera seria" bezeichnet ist (was, frei übersetzt, "gewichtige Oper" bedeutet, also "Oper mit Haupt- und Staatsaktion"), passt zu den Salzburger Abendtoiletten samt Juwelen und goldenen Taschenuhren. Die freilich waren nur bedingt herzeigbar, denn "Die Bassariden" sind ein Einakter, wenngleich einer, der mit gut zweieinhalb Spielstunden eine "Rheingold"-Dauer für sich in Anspruch nimmt.

Für die Strauss-Nachfolge steht einerseits das Libretto, in dem Wystan Hugh Auden und Chester Kallman, beides Dichter und Schriftsteller von hohem Rand und damit veritable Hofmannsthal-Nachfolger, einen Mythos der griechischen Antike aufgreifen, im konkreten Fall die Auseinandersetzung zwischen dem sittenstrengen König Pentheus und Dionysos, dem Gott des Rausches und der Ekstase.

Andererseits ist da die Musik, in der Henze die Zwölftonreihe nur noch als Materialkonzentrat versteht und denkbar frei agiert. Das klingt dann, ja: tatsächlich nach Richard Strauss, stellenweise auch nach Henzes englischen Komponistenfreunden Benjamin Britten und William Walton. Henze schwelgt in langen melodischen Linien, leuchtender Harmonik, und seit Strauss und Ravel hat keine Instrumentierung eine derartige Leuchtkraft entwickelt.
Das aber ist nur eine Seite des Werks.
Die andere ist eine durchästhetisierte ironische Distanz, die sich nicht zuletzt in einem ironischen Intermezzo ausdrückt, das Henze später ausgegliedert hat. Die Salzburger Festspiele 2018, kehrten zu "ihrer" Erstfassung mit Intermezzo zurück, spielten das Werk allerdings, anders als bei der deutschsprachigen Uraufführung, im englischen Original. Diese Version liegt nun auf DVD vor. Während sich keine bessere Besetzung denken lässt und Dirigent Kent Nagano die ideale Balance zwischen Klangexzess und Klarheit findet, macht die Inszenierung von Krysztof Warlikowski weniger glücklich. Denn er erzählt ziemlich unentschieden eine sehr heutige Sex-und-Gewalt-Geschichte, bei der man nicht recht weiß, worauf er hinauswill - und sie passt nicht zum Konzept von Auden und Henze, das nun einmal eine als Kulisse kenntlich gemachte Antike verlangt und seine Ästhetik gerade aus den sichtbaren Bruchlinien schöpft. Mit einer oberflächlichen szenischen Modernisierung ist dem Werk nicht beizukommen. Seine außerordentliche Schönheit und Kraft teilt sich freilich auch unter ungünstigen szenischen Bedingungen mit.