Wer die Überschrift "2020 - Beethovenjahr!" nicht mehr lesen kann, findet in der chinesischen Astrologie eine erfrischende Alternative. Dort stehen die nächsten zwölf Monate unter einem ganz anderen Vorzeichen, nämlich dem der Metall-Ratte. Damit ist nicht etwa ein Fabeltier mit stählernem Kiefer gemeint. Die chinesische Astrologie verknüpft jedes Jahr mit einem Element und einer Tierart, und diese Zuordnung ruft im gegebenen Fall die Metall-Ratte auf den Plan. Zieht man Internet-Horoskope zurate (wobei sich schwer sagen lässt, welches "seriös" ist), neigen Geburten des Metallrattenjahrs zu Intellekt und Abenteuerlust.

Eigenschaften, die man dem Dirigenten Thomas Rösner gern zusprechen will. Zwar ist der Mann 1973 in Mödling zur Welt gekommen, in einem Büffeljahr. Er legt als Dirigent der Bamberger Symphoniker aber eine geistreiche, wagemutige Scheibe vor. "Couleurs" heißt sie und ist zwei französischen Randerscheinungen gewidmet: Francis Poulenc (1899-1963), Konzertgehern immerhin namentlich bekannt, andererseits Charles Koechlin, einem absoluten No-Name des heutigen Betriebs.

Bamberger Symphoniker Couleurs
Bamberger Symphoniker Couleurs

Dabei war der Letztgenannte (1867-1950) ein Tonsetzer von enormer Vielfalt: Die Einflussgeber des Parisers mit dem langen Rauschebart reichten von Camille Saint-Saëns über den Impressionismus bis zu Arnold Schönberg und den Hollywoodfilm: In seiner "Seven Stars Symphony" (1933) hat Koechlin nicht den Planeten, sondern sieben Hollywoodgrößen (darunter Marlene Dietrich und Greta Garbo) ein Denkmal gesetzt.

Lautten Compagney Circle Line
Lautten Compagney Circle Line

Aber zurück zu dem, was die CD auftischt. Das Orchesterstück "Vers la voûte étoilée", delikat orchestriert und aufgenommen, vereint Debussys Klangschwaden mit einem Hauch von Mahler und verdichtet es zu sogkräftigen Melodien. Der Fünfminüter "Sur les flots lointains", anzuhören wie eine ätherische Zusammenarbeit von Maurice Ravel und Richard Wagner, hält das Niveau.

"Wiener Zeitung"-Klassikexperte Christoph Irrgeher.
"Wiener Zeitung"-Klassikexperte Christoph Irrgeher.

Wer es griffiger mag, ist bei der "Sinfonietta" (1947) von Francis Poulenc richtig. Nur eines verblüfft noch mehr als die Zugwirkung dieses knackigen, vergnügten Stücks französischer Prägung: Warum man so selten darüber stolpert. In Rösner finden es einen Fürsprecher, der den Unterhaltungswert der süffigen Melodien exzellent herauskehrt. Poulencs Klavierkonzert (mit Artur Pizarro an den Tasten) fällt dagegen zwar etwas ab, ist aber ein apartes Werkstück neoklassizistischer Machart.

Deutlich schwerer tut sich, wer die Musik des Albums "Circle Line" schubladisieren will. In diesem Umstand liegt allerdings der Witz dieses Sammelsuriums: Renaissance-Werke von Guillaume Dufay erklingen im steten Wechsel mit Häppchen der amerikanischen Minimalisten, vor allem solchen aus der Feder des Zeitgenossen Philip Glass. Die Berliner Lautten Compagney (unter Dirigent Wolfgang Katschner) verwischt den Zeitabstand, indem sie beides in einem halbbarocken Sound auftischt.

Der Kunstgewinn ist jedoch mager. Die These, Dufay sei ein Vorreiter von Glass’ Stil gewesen - also einem Akkordgeplätscher mit kleinen Akzentverschiebungen, das sich vor allem für Filmmusik eignet -, überzeugt nicht. Wer Easy Listening mit kulturellem Mehrwert sucht, kommt hier aber weitgehend auf seine Kosten.