Es wird viel Gewese gemacht um die letzten Werke großer Komponisten. Mitunter zurecht: So mancher Tonsetzer erreichte seinen Könnergipfel erst im reifen Alter, und bevor er im Grab verschwand, schloss er altmeisterlich mit der Welt ab.
Mitunter ist die Ehrfurcht vorm "Schwanengesang" aber auch Humbug. Erstens war nicht jeder Klangkünstler vor der Bahre in Bestform. Zweitens wusste kaum einer von ihnen bei der Arbeit, dass das aktuelle Stück das letzte sein würde. Und: Was hätte diese Gewissheit auch geändert? Es war nicht Sitte unter den Notensetzern vor der Romantik, das Publikum mit eigenen Nöten zu behelligen - jedenfalls nicht in dem Maß, wie es Gustav Mahler dann 1910 im Fragment seiner Zehnten Symphonie tat ("Leb wohl, mein Saitenspiel!"). Kurzum, so manchem finalen Schaffenswort steht das große Pathos nicht gut an.

Das gilt auch für die drei letzten Mozart-Symphonien. Schon deshalb, weil die Stücke nicht am Lebensende entstanden, sondern im Sommer 1788: Der Salzburger arbeitete danach noch dreieinhalb Jahre in anderen Genres weiter. Dennoch sind die Nummern 39, 40 und 41 immer wieder gern mystifiziert worden. Der Grund: Es fand sich kein Anlass für ihre Schaffung. Hat Mozart die Trias womöglich für die Schublade geschrieben? Sind es Bekennerwerke, in denen er sich Höchstpersönliches entstößt? Immerhin: Das Geschäftsjahr 1788 ließ sich für den Wahlwiener schlecht an; ein Türkenkrieg war ausgebrochen, Kaiser Joseph II. weilte auf dem Schlachtfeld. Aber lässt sich daraus ableiten, dass die Symphonien Nummer 39 bis 41 ein musikalischer Tummelplatz von Zorn, Schmerz und Martern aller Arten sind?

Die Mozart-Forschung würde diese Theorie zumindest kühn nennen. Das Ensemble Resonanz aus Hamburg vertritt sie offenbar dennoch. Schon das Booklet stimmt darauf mit mehr oder minder triftigen Gründen ein. Und Dirigent Riccardo Minasi verdeutlicht die Gangart von der ersten Note an: So grimmig plärren einen die Bläser in Nummer 39 selten an, die Streicher schreien mit der Gereiztheit eines Zahnarztpatienten auf - und in den Ecksätzen setzt es zudem reichlich Pauken-Gepolter. Der Beginn der "Großen g-Moll-Symphonie" verschärft den Kurs sogar noch: Die beliebte Melodie mündet in einen Bläserakkord, infernalisch anzuhören, der ein Höllentor zu einer dämonischen Durchführung aufstößt.
Offen gesagt: Es wirkt schon vieles aufgesetzt an dieser musikalischen Tour de force. Dennoch gelingt es dem Ensemble Resonanz, den Hörer durch tönende Übertreibungen immer wieder in Bann zu schlagen. Ein Mitgrund dafür ist auch, dass diese Aufnahme nicht an pauschaler Plumpheit leidet: Im Andante der Nummer 40 etwa wechseln die schon gewohnten, axtharten Schläge mit wattezarten Streichern. Das erhabene Kopfthema der "Jupiter"-Symphonie wiederum zerbröselt zu einem Bruchstück-Beginn, auf den ein unverhoffter Zickzackkurs der Emotionen folgt. Keine Referenzaufnahme, aber ein Hörabenteuer.