Was, bitte, ist "Blindekuh"? - Nicht nur ein Spiel, sondern offenbar auch eine Operette von Johann Strauss. Seine sechste ist es, um genau zu sein. Uraufgeführt am 18. Dezember 1878 im Theater an der Wien und nach gerade einmal 15 weiteren Vorstellungen wieder abgesetzt. Zugegeben: Manch heutiger Opernkomponist spräche da von einem beispiellosen Erfolg. Für Strauss war es ein Debakel. Verschuldet hat es, zumindest der Fama zufolge, allein das unterirdische Libretto von Rudolf Kneisl, eine so wirre wie unbedarfte Rollentauschgeschichte.

Johann Strauss Blindekuh (Naxos)
Johann Strauss Blindekuh (Naxos)

Prinzipiell laufen solche Unwahrscheinlichkeiten einer Operettenhandlung nicht zuwider, ganz im Gegenteil. Im Fall von "Blindekuh" dürfte allerdings gar nichts gepasst haben.

In der nun vom Naxos-Label vorgelegten Aufnahme bekommt man nichts davon mit. Die Dialoge sind gestrichen, womit man die Handlung nicht verfolgen kann. Die Solisten wiederum singen mit einer derartigen Wortundeutlichkeit, dass man nicht einmal in den Solonummern mitbekommt, worum es gerade geht.

Erich Wolfgang Korngold Straußiana, Viel Lärm um nichts u.a. (Capriccio)
Erich Wolfgang Korngold Straußiana, Viel Lärm um nichts u.a. (Capriccio)

Es ist halt ein Krampf: Es gibt keine Vergleichsaufnahme, gerade einmal die fulminante Ouvertüre lag unter Leitung von Willi Boskovsky bereits vor. Pluspunkt der Naxos-Aufnahme ist der Dirigent Dario Salvi: Der italienisch-schottische Raritätenspezialist spürt in seinen vorantreibenden Rhythmen und dem weiträumigen Aufbau der Stellung von Strauss’ Musik zwischen komischer Oper und schnell produzierter Unterhaltungsmusik nach. Die Entscheidung fällt in der Regel zugunsten des (verhinderten) Opernkomponisten aus. Zu Recht, denn selbst "Blindekuh" steht, trotz aller schmissiger Polkas, Märsche und federnder Walzer, der Opéra Comique näher als dem kommerziellen Unterhaltungsmusiktheater. Aber Salvi kann mit dem grobkörnigen Philharmonischen Orchester von Sofia wohl nicht alles erreichen, was er sich vorgenommen hat.

"Wiener Zeitung"-Klassikexperte Edwin Baumgartner.
"Wiener Zeitung"-Klassikexperte Edwin Baumgartner.

Es ist gut, endlich einmal die komplette Musik dieses Werks hören zu können - aber zweifellos wäre eine sorgfältiger produzierte Aufnahme der Begegnung noch zuträglicher.

Johann Strauss, Teil zwei: Der Komponist, der sich mit ihm am intensivsten in Bearbeitungen befasst hat, war wohl Erich Wolfgang Korngold.

Der österreichische Komponist, dessen Oper "Die tote Stadt" mittlerweile dem Repertoire zurückgewonnen ist, hat mit seiner Neufassung die Strauss-Operette "Eine Nacht in Venedig" in ein luxuriös leuchtendes Licht gestellt. Und er hat zwei Strauß-Suiten geschrieben, in denen dessen Musik wahrhaft unvergleichlich funkelt und irisiert.

Beide Suiten sind Teil einer Korngold-vier-CD-Box. Caspar Richter hat sie mit dem Linzer Bruckner-Orchester aufgenommen. Ausschnitte aus den Opern sind darunter, die grandiose "Viel Lärm um nichts"-Schauspielmusik, "Sursum Corda", das Cello-Konzert und vieles mehr. Auf weiträumige Hauptwerke wie die Symphonie und das Violinkonzert hat man allerdings verzichtet. Die Aufnahmen sind beispielhaft, was Klangschönheit und Tempodramaturgie betrifft. Sie sind nicht neu, waren aber seit einer halben Ewigkeit vergriffen. Welch eine wertvolle Wiederveröffentlichung!