Nicht jede Liebe dauert ewig. Sogar die Zuneigung eines Musikers zu seinem Stück vermag zu erkalten. Wie im Fall der "West Side Story". Das Musical von 1957 geriet zu Leonard Bernsteins größtem Erfolg, bereitete dem Komponisten-Dirigenten aber gerade darum später Verdruss. Ihn wurmte, dass der Bühnen-Geniestreich seinen anderen Arbeiten die Show stahl. Ja, hatte er in seinem Leben denn nur ein Stück von Bedeutung hervorgebracht?
Frank Bridge hatte ein ähnliches Problem. Der Fall lag allerdings etwas anders. Der Mann aus Brighton (1879-1941), bekannt als Lehrer von Benjamin Britten, hatte nach dem Ersten Weltkrieg einen Stilwechsel vollzogen: Fort von romantischen Einflussgebern, hin zu den atonalen Feuerköpfen seiner Zeit in Europa. Aus kommerzieller Sicht war das ein Schlag ins Wasser: Während Bridges ältere Stücke in der Publikumsgunst verweilten, wurden die jüngeren angefeindet - und das auch vonseiten der Kritiker. Um modern zu bleiben, habe Bridge damit begonnen, seine Musik zu verhässlichen ("uglify"), schrieb einer.

100 Jahre später lässt sich das Werk des Engländers entspannter sehen, ohne dogmatisches Lagerdenken. Bridge, so könnte man urteilen, hat aus dem schillernden Ideen-Kosmos des frühen 20. Jahrhunderts einen ganz eigenen Stil entwickelt. Ein Vorzeigebeispiel ist sein Zweites Klaviertrio (1929). Der Klangstrom von Geige, Cello und Flügel, rund eine halbe Stunde lang, unterläuft zwar tonale Erwartungen. Das Geschehen ist aber nicht so vertrackt-abstrakt, dass es dem Ohr keine Anhaltspunkte böte. Klangfarben - etwa die ziselierten Diskantlinien des Klaviers - entfalten vom Fleck weg Charisma, und die wiederholten Motive spannen einen roten Faden. Man muss diese Melodien nicht nachsingen können, um ihre Sinnlichkeit, Eleganz und teils auch hohe Intensität zu spüren: ein Hörabenteuer für offene Ohren. Das Namirovsky-Lark-Pae Trio hat diese Rarität nun ebenso makellos wie farbenfunkelnd aufgenommen, ergänzt um Brahms’ Klaviertrio op. 8 mit dem schwelgerischen, saftigen Ohrwurm im ersten Satz.

Einen Reißer der Moderne hat das Kammerorchester Wien-Berlin auf sein jüngstes Album gepackt - nämlich das Konzert für Klavier, Trompete und Streicher von Dmitri Schostakowitsch (1933): Es strotzt in den Ecksätzen nur so vor Tempo, Pointen, Parodien und leicht verbeulten Melodien - und stammt von einem Manns, dessen Drive noch ungebremst war von den Gräueln des Krieges und der Politik Stalins. Die deutsch-österreichische Aufnahme fesselt durch Feingefühl und ein gestochen scharfes Klangbild, in dessen Zentrum das Klavier (von Denis Matsuev virtuos gehandhabt) vielleicht eine Spur zu dominant prangt; Dirigent Manfred Honeck spielt die Pointen mit sicherer Hand aus und kommt damit nah an die Qualität der grandiosen Aufnahme von Mariss Jansons und Pianist Mikhail Rhudy (Warner Classics). Apropos Pointen: Die setzt es hier zuletzt auch in Witold Lutosławskis "Variations on a Theme of Paganini" (arrangiert von Alexander Warenberg). Ein weiterer Beweis für die Zwerchfellwirkung gewisser Musikstücke der Moderne.