Jeder ernsthafte Komponist der leichten Muse hat sie, die leichte Muse nämlich, irgendwann mit der offenbar schweren Muse betrogen. Franz Lehár etwa - nein, nicht um die puccini-nahe "Tatjana" geht es, die ist ein Frühwerk, sondern um sein viertelstündiges Werk "Fieber" für Singstimme und Orchester, das klingt, als habe der "Lustige Witwe"-Komponist die Partituren von Richard Strauss und Franz Schreker nahezu inhaliert. Robert Stolz "Die Rosen der Madonna", Arthur Sullivans "Ivanhoe", Oskar Nedbals "Bauer Jakob": alles Stücke von Operettenkomponisten, die mit der Oper fremdgegangen sind.
Auch Oscar Straus bewegte sich an der Grenze, und das mit mehr Witz und Grazie als die meisten seiner Kollegen. Straus landete mit "Die lustigen Nibelungen", "Ein Walzertraum" und "Der tapfere Soldat" drei Operettenerfolge, die auch heute noch, in einer Zeit, die der Operette kritisch gegenübersteht, glänzend funktionieren. Er komponierte das herrliche Lachen der "Perlen der Cleopatra", hob in "Drei Walzer" die Operette mit virtuosen Johann-Strauß-Vater-und-Sohn-Aneignungen und einem selbst komponierten Dritten Akt auf ein bis dahin nicht gekanntes intellektuelles Niveau, er vertonte Arthur Schnitzlers "Liebelei" und schrieb die Musik für die "Reigen"-Verfilmung von Max Ophüls.

Für den Konzertsaal komponierte Straus ein glänzendes Klavierkonzert in h-Moll - das nun bei JPC endlich in einer adäquaten Aufnahme vorliegt. Das Werk stammt aus dem Jahr 1898. In vielen Facetten ist es typische Musik dieser Zeit: betont melodiös, raffiniert in den Harmonien, farbintensiv instrumentiert. Aber welche Leichtigkeit und Eleganz spricht aus dieser Musik, wie ausgewogen und klar ist dieses Werk, das sich so gar nicht der spätromantischen Uferlosigkeit hingibt, sondern in seiner Kontrolle der Mittel sehr französisch anmutet.

Der fulminante Pianist Oliver Triendl spielt den Solopart hinreißend, Dirigent Ernst Theis entlockt der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern eine wunderbare Klarheit und rhythmische Präzision. Theis überzeugt ebenso in den weiteren Oscar-Straus-Werken der CD, der Streicherserenade (dieses Marsch-Finale ist unschlagbar!) und dem Rausch des "Tragant-Walzers": auch wegen der beglückenden Interpretationen eine CD, um die man kaum herumkommt, wenn man das eigene Repertoire erweitern will.

"Wiener Zeitung"-Klassikexperte Edwin Baumgartner.
Überhaupt bemüht sich das Label JPC vorbildlich um die Komponisten der sogenannten Silbernen Operette, und da ganz speziell um Franz Lehár. Dessen "Cloclo" liegt als Gesamtaufnahme der Produktion des Bad Ischler Lehár-Festivals vor: Blendend gesungen (aber leider sehr bemüht in den Sprechszenen) und mit viel Gespür dirigiert von Marius Burkert.
Das Werk selbst: Welch ein kurioses Stück Operette! Kein Buffo-Paar, keine große Tanzszene, keine Liebesverwicklung im Mittelpunkt, sondern eine Kette von Irrtümern, die sich im Happy End auflösen. Musikalisch ist das gewiss eine der dichtesten Lehár-Operetten mit reizvollen Kontrasten von Walzersüße und Coupletwitz: Lehár auf geradem Weg, aus der Operette eine spezifisch wienerische Oper zu entwickeln. Und wenn das Stück noch so sehr in Paris spielt!