Was erwartet man von Oper auf DVD? - Bloße Schauwerte? Spielt auch die musikalische Komponente eine Hauptrolle? Welche Kriterien geben den Ausschlag für eine Ton-plus-Bild-Aufzeichnung?
Antonín Dvořáks "Rusalka" aus Glyndebourne ist ein Problemfall. Das britische Nobel-Opernfestspiel steht für Produktionen auf höchstem Niveau, wie etwa "Billy Budd", "Das schlaue Füchslein" oder "Ariadne auf Naxos" beweisen. Aber manchmal misslingt etwas selbst in Glyndebourne. Und zwar nicht, weil Melly Stills Inszenierung eine dieser überflüssigen regietheatralische Uminterpretationen wäre - das Gegenteil ist der Fall. Eine wunderschöne konservative Inszenierung wäre das, wäre es als Inszenierung zu bezeichnen. Die britische Regisseurin aber verlässt sich ganz und gar auf quasi-filmische Effekte. Ausstatter Rae Smith zaubert eine Landschaft zwischen Märchen und Surrealismus auf die Bühne. Da wird mit dem Nixenschwanz gewedelt, und die Titelgestalt schwebt schwerelos durch die Tümpeltiefen. So weit alles bestens - bloß findet keine Personenführung statt. Gerade einmal, dass sich die Nixen an die Brüste fassen. Doch ein Sechzigerjahre-Hausfrauenporno zur Auflockerung des Herumsteh-Theaters ist arg dünn für das vielschichtige Märchen. Dabei könnte man der Geschichte durchaus mit konservativen Mitteln beikommen - wenn man sie erzählt, statt sie zu bebildern.

Da Opern aber nicht nur inszeniert, sondern auch gesungen und dirigiert werden, ist das andere Manko noch zu erwähnen: Dirigent Robin Ticciati mag zwar scharf konturierte Blechbläser, aber die Bässe ruhen wattig wie auf Schlummerrollen. Sally
Matthews singt die Titelrolle mit inferiorer Diktion, das kann Tschechisch ebenso wie Isländisch sein. Mit ihrem nach oben hin zunehmend spröden Sopran ist sie in jedem Moment keine Rusalka. Evan Leroy Johnson gibt immerhin einen tüchtigen Prinz, Alexander Roslavets einen sanft-väterlichen Wassermann, Patricia Bardon eine dämonische Ježibaba. Wer wissen will, wie gut eine konservative "Rusalka" funktionieren kann, greife zur DVD der Met-Aufführung: Otto Schenk hat inszeniert, auch die musikalische Komponente ist perfekt, wenn man Renée Flemings übliche Manierismen akzeptieren kann.

Die britische Komponistin Ethel Smyth (1858-1944) engagierte sich für die militante englische Frauenrechtsbewegung und ging dafür auch ins Gefängnis. Mehr als dafür sollte sie für ihre grandiose salzwassergetränkte Oper "The Wreckers" bekannt sein.
Auch "The Prison", ein textlich trübes Oratorium, in dem ein unschuldig zum Tod Verurteilter ein philosophisches Gespräch mit seiner Seele führt, erweist sich musikalisch als Großtat. Smyth komponierte, trotz zunehmender Ertaubung, das Werk im Jahr 1930. Mittlerweile war Smyth geachtet, was die vordergründig kämpferische Pose zu einem allumfassenden Humanismus wandelte. Die Musik übertrifft an Suggestionskraft und Größe die stilistisch verwandten Oratorien Edward Elgars bei weitem, sie entwickelt sich in weiten Bögen, reicher Harmonik und farbintensiver Instrumentierung. Unbedingt hörenswert!
