Rudolf Wagner-Régeny ist so gründlich verschwunden, wie kaum ein ehemaliger Erfolgskomponist seiner Generation. Das freilich hat mehr politische Gründe als musikalische. Denn der Komponist hat sich zwei Diktaturen angedient, die beide zu Recht auf dem Müllplatz der Geschichte gelandet sind.

Wagner-Régeny, 1903 in Sächsisch Regen auf dem Gebiet der K.u.k.-Monarchie geboren und 1969 in Ost-Berlin gestorben, legte sich den Doppelnamen zu, um nicht mit der Richard-Wagner-Familie in Zusammenhang gebracht zu werden. Wie fast alle Schüler Franz Schrekers wandte er sich von dessen Klangekstatik ab und einem Idiom voller neobarocker Bläsersperrigkeiten zu.

"Wiener Zeitung"-Klassikexperte Edwin Baumgartner.
Wagner-Régenys Rolle während der NS-Diktatur war erstaunlich: Er ließ sich von Caspar Neher, dem Mitarbeiter Bertolt Brechts, Libretti schreiben, die Brechts Ästhetik folgten, und erreichte, trotz Erfolglosigkeit beim Publikum, hohe Aufführungszahlen. Ein Witz charakterisierte sein Verhalten: Es käme nicht von ungefähr, dass eine seiner Oper den Titel "Der Günstling" habe. Mit Sicherheit beförderte die Freundschaft mit Baldur von Schirach seine Karriere. Nach 1945 entdeckte Wagner-Régeny seine Sympathien für den Kommunismus, ging nach Ost-Berlin und wurde erneut zum Günstling, diesmal zu dem des DDR-Regimes.
Bei Capriccio liegt nun eine CD mit vier Werken vor, die Wagner-Régenys stilistischen Positionen, die klassizistische wie die zwölftönige, beleuchtet. Die Aufführungen unter Johannes Kalitzke am Pult des Radio-Sinfonieorchesters Berlin kommen dabei nicht allen Werken gleich entgegen.
Hauptwerk der CD ist "Genesis" (1956), ein Schöpfungsoratorium in lateinischer Sprache, das bereits in einer überlegenen Einspielung unter Herbert Kegel vorliegt. Kegel führt das Schwelgen in Reminiszenzen an Bach und Strawinskis "Psalmensinfonie" wesentlich geradliniger zu Höhepunkten. Kalitzke setzt auf klassische Erhabenheit und weckt umso mehr im Zuhörer das Verlangen, ein Genie wie Carl Orff hätte sich des Textes angenommen.
Weit besser schneidet, auch bezüglich der Interpretation, die "Orchestermusik mit Klavier" (1935) ab, die mit neobarocker Energie auf klare Umrisse setzt und nichts zulässt, was man herkömmlich unter "Emotion" versteht. Steffen Schleiermacher hämmert die Noten vorschriftsmäßig maschinell ins Klavier und setzt die absichtlich wenigen Farben erregend hart gegeneinander. Die ausgebluteten "Französischen Klavierstücke" (1951) kann er freilich nicht retten.
Auch das Orchesterwerk "Mythologische Figurinen" (1951) ist problematisch. Wagner-Régeny wandte sich in seiner Spätzeit immer öfter der Zwölftontechnik zu. Die Salzburger Festspiele etwa erlitten mit dem knochentrockenen "Bergwerk zu Falun" ein exemplarisches Fiasko. Die "Figurinen" gehören in die gleiche Kategorie der absichtlich unkommunikativen Musik. Was befremdet, ist nicht, wie dissonant der Klang ist, sondern wie sehr sich Wagner-Régeny allem verweigert, was sinnliches Vergnügen an Musik bedeutet.
Dennoch ist diese CD wichtig, denn sie ruft einen Komponisten ins Gedächtnis, der mit vielen seiner Werke durchaus für erfreuliche Begegnungen sorgen würde. Etwa die Opern "Der Günstling" oder "Die Bürger von Calais" wären einen Bühnenversuch viel eher wert als Entlegenes von Leoncavallo oder Massenet oder die Überflutung mit Repertoirewerken Verdis und Mozarts.