Zeichnet sich gar eine Jaromir-Weinberger-Renaissance ab? - Schön wär’s. Aber es wäre noch zu viel der Hoffnung. Selbst, wenn nun als Mitschnitt einer Aufführung der Berliner Komischen Oper Weinbergers Operette "Frühlingsstürme" als DVD erscheint.

Weinbergers Lebensdaten lassen bereits das Schicksal ahnen: geboren 8. Januar 1896 in Prag, damals noch Österreich-Ungarn, gestorben am 8. August 1967 in Saint Petersburg, Florida.

Sein Hauptwerk ist die Oper "Schwanda, der Dudelsackpfeifer": eine Volksoper auf der Basis tschechischer Märchen samt einer gemütlichen Hölle mit kartenspielendem Teufel und einer fulminanten Polka.

Jaromir Weinberger Frühlingsstürme (Naxos)
Jaromir Weinberger Frühlingsstürme (Naxos)

1927 wurde "Schwanda" uraufgeführt, bis 1931 kam er auf mehr als 2000 Aufführungen. Damit wurde er zum Modell für zahlreiche neue Volksopern, ob das nun "Ero, der Schelm" des Kroaten Jakov Gotovac war oder die "Zaubergeige" von Werner Egk, der die Errungenschaften des Juden Weinberger NS-konform zurechtmachte.

"Wiener Zeitung"-Klassikexperte Edwin Baumgartner.
"Wiener Zeitung"-Klassikexperte Edwin Baumgartner.

Womit man bei der Tragödie Weinbergers ist: 1938 musste der Komponist emigrieren. Heimisch wurde er in den USA jedoch nicht. Dass seine Musik gut verständlich und melodiös war, nützte wenig, ihr fehlte das kulturelle Umfeld, die Tradition der Länder der alten Donau-Monarchie.

Nach 1945 wiederum wurden im deutschsprachigen Raum Zwölftontechnik und serielle Musik propagiert, was dazu führte, dass ehemalige Erfolgskomponisten wie Franz Schreker, Erich Wolfgang Korngold oder eben auch Jaromir Weinberger vergessen, um nicht zu sagen: unterdrückt wurden.

Nach 1945 häuften sich die Schicksalsschläge: Weinberger erfuhr, dass seine Mutter und seine Schwester von den Nationalsozialisten ermordet worden waren. Und niemand wollte seine Werke spielen. Depressionen riefen eine Schreibblockade hervor. 1967 schließlich beging Weinberger Suizid.

In jüngerer Zeit gab es ein paar Wiederbelebungsversuche: "Schwanda" wurde an verschiedenen Bühnen ausprobiert, "Wallenstein" einmal, in Gera, szenisch, einmal, in Wien, konzertant aufgeführt und für CD eingespielt.

Und nun eben die Operette "Frühlingsstürme". Um es gleich zu sagen: Ganz glücklich macht das Werk nicht - was keineswegs nur an Barrie Koskys Inszenierung liegt, die dem Verwirrspiel der Handlung um Politik, Spionage und Liebe weitere Undurchsichtigkeiten hinzufügt. Das Werk ist die letzte Operette der Weimarer Republik: Zehn Tage nach der Uraufführung am 20. Januar 1933 im Berliner Admiralspalast fand die Machtergreifung der Nationalsozialisten statt, womit auch ein möglicher Siegeszug des Werks beendet war. Die Partitur gilt als verschollen, Norbert Biermann rekonstruierte sie anhand des Klavierauszugs. Das Ergebnis ist ein Hybrid aus Oper mit Richard-Strauss-Franz-Schreker-Anklängen, Revue à la Robert Stolz und Operette in der Art Franz Lehárs, was man den Hauptrollen anmerkt, die deutlich der Uraufführungs-Besetzung Jarmila Novotná und Richard Tauber auf die Stimmen geschrieben sind. Die insgesamt vorzügliche Einspielung entfaltet den Glanz dieses Werks, kann aber nicht verhindern, dass man doch immer wieder an den originalen Lehár, den originalen Stolz und den originalen Strauss denkt, und zwar nicht immer, aber doch oft mit Sehnsucht.

Was von Weinberger auf die Bühne gehört, ist der "Schwanda", dass "Frühlingsstürme" eine erfreuliche Zutat ist, sei unbestritten.