"Paris" - Kaum liest man den Titel, schwant einem auch schon Bekanntes: Wieder so ein Album, das sich mit einem kulinarischen Namen durch einen Gemüsegarten kurzer Klassikstücke ackert.
Doch der Schein trügt. Anlass für den Titel war wohl weitgehend der schlichte Umstand, dass die US-Geigerin Hilary Hahn das Album gemeinsam mit dem Orchestre Philharmonique de Radio France eingespielt hat. Eine Hommage an Baguette und Eifelturm ist hier nicht zu hören.
Dafür aber ein reizvolles Programm. Hahn, gefeiert für ihren blütenreinen Ton, begibt sich auf ein wagemutiges Terrain und stellt sich in den Dienst von Sergei Prokofjew, Ernest Chausson und Einojuhani Rautavaara. Einojuhani wer? Der Finne galt als ein Chamäleon der Gegenwartsmusik, brachte schlichte Dreiklänge zu Papier, aber auch vertrackte Avantgarde. Mikko Franck, Chef der Pariser Radiophilharmoniker, selbst Finne und ein Verehrer seines Landsmanns, bat diesen um Musik für sein Orchester und eine Sologeige. Ein vergeblicher Herzenswunsch, meinte man bei der Beerdigung des Tonsetzers 2016. Doch Franck staunte nicht schlecht, als wenig später zwei Serenaden-Skizzen zum Vorschein kamen und wohl seinem Ensemble zugeeignet waren; ein Rautavaara-Schüler schloss die Orchestrierung ab.

Wie sich das anhört? Wie zwei ausufernde Meditationen, die geschmeidig durch verschiedene Tonarten gleiten und mitunter auf einer Brise des Impressionismus segeln - vage Poesie.
Gehaltvoller allerdings die andern Beiträge des Albums, einerseits das Erste Violinkonzert von Prokofjew: Unverhofft soft und melodiös im Vergleich mit seinem Klavierwerk, bieten hier ziselierte Passagen ein maßgeschneidertes Entfaltungsgebiet für Hahn. Eine veritable Entdeckung zudem das "Poème" für Orchester und Geige von Ernest Chausson: Der Franzose, der im Jahr 1899 mit seinem Fahrrad mangels Bremse tödlich gegen eine Wand donnerte, verschmolz den Sehnsuchtsklang und die Brillanz des romantischen Violinkonzerts mit dem Farbenzauber Richard Wagners - Musik, so süß und heiß, saftig und doch auch luftig wie eine Portion Salzburger Nockerln.

Etwas eigentümlich mutet auch das neue Album von Sonya Yoncheva an. "Rebirth" heißt es und zeigt die Bulgarin in einem weißen Wallekleid beim Blumenschnuppern. Das Elaborat einer Eso-Erleuchtung? Nein, sondern Originalklang mit Klasse. Stimmt zwar: Dieser barocken Arien-Blütenlese fehlt ein roter Faden, und es steht nicht jeder Nummer gut an, dass die begleitende Cappella Mediterranea so zirp- und zupf-lastig besetzt ist. Gleichwohl überwältigt Yoncheva als Barocksängerin mit gewissen Vorzügen - vor allem in den vielen Balladen des Albums. Die beginnt sie mit einem gläsernen Tonfall, der im Laufe der Gefühlssteigerung allmählich dem Wuchtklang des Verdi-Soprans Yoncheva weicht. Leidklagen mutieren zum Selbstermächtigungsgesang, besonders packend anzuhören in den Arien von José Marin und Leonardo Garcia Alarcon. Zartbittere Zugabe: Die ABBA-Ballade "Like An Angel Passing Through My Room", dezent arrangiert und an ihrem Beginn ein wenig melodieverwandt mit dem Schlussduett aus dem "Rosenkavalier".