Othmar Schoecks gewaltiger Orchesterlieder-Zyklus "Lebendig begraben" liegt endlich wieder in einer empfehlenswerten Aufnahme vor: Düstere Spätromantik mit Gruselfaktor - ein Meisterwerk!

Der Schweizer war ein eigenartiger Komponist: Ein Nachromantiker, der mehrfach an den Expressionismus anstreifte und sich dann doch wieder auf tonal gesichertes Terrain zurückzog.
Als Meilenstein gilt seine Heinrich-von-Kleist-Vertonung "Penthesilea": Eine Eruption, vergleichbar allenfalls Richard Strauss "Elektra" oder Alban Bergs "Wozzeck", womöglich beide an Kühnheit übertreffend: Ein großer Teil des Textes wird gesprochen oder vielmehr herausgeschrien, dann wieder ekstatisch deklamiert. Nur das zentrale Liebesduett bringt Beruhigung. Im Orchester brodeln übereinandergeschichtete Tonarten, Geigen fehlen bis auf vier sporadisch eingesetzte Soli, Trompeten Posaunen, Schlagzeuge, zwei Klaviere und zehn Klarinetten erzeugen einen harten, bronzenen Klang, der ideal zu Kleists Antiken-Wahnsinns-Drama passt.

"Wiener Zeitung"-Klassikexperte Edwin Baumgartner.
Dann wieder schreibt Schoeck das Märchenspiel "Vom Fischer und syner Fru" in satt getönter Romantik, begibt sich in "Venus" in die Nähe von Franz Schrekers Klangekstase, versucht in "Massimila Doni" eine heitere Oper mit so schnell wechselnden Tonarten, dass man im Grunde von Atonalität sprechen muss. Und dann ist da ein riesiges Oeuvre an Liedern ganz eigenen Charakters: Romantisch im Grund, aber diese Romantik ruht auf höchst instabiler Harmonik und einer mäandernden Melodik, die fassliche Wendungen in eigenwilligen Brechungen abwandelt. Ähnlich wie bei Strauss, ist Schoecks Stil dabei stets erkennbar, egal wie avanciert oder romantisch er sich gibt.
"Lebendig begraben" ist mehr Solokantate als Liederzyklus. Schoeck folgt dem Zyklus seines Landsmanns Gottfried Keller: Ein scheintot Begrabener versucht, mit seiner aussichtslosen Lage klarzukommen in Reflexionen und Visionen von größter Eindringlichkeit. Über manche Passagen huscht Schoeck in deklamatorisch hinweg, andere formt er plastisch aus mit einer schwarzgemalten Eindringlichkeit, der man sich nicht entziehen kann.
Bisher lag das Werk in einer Aufnahme von Dietrich Fischer-Dieskau vor, dessen Hang, sich Vokallinien zurechtzusingen und Vokale zu bellen, hier einen unschönen Höhepunkt erreichte. Die beispielhafte Aufnahme Günter von Kannens mit Ralf Weikert am Pult schaffte es nie von der LP auf die CD.
Die nun vorliegende Einspielung dirigiert Leon Botstein, der immer dann am besten ist, wenn er ein Werk durchsetzen will. Michael Nagy singt die rund 40 pausenlosen Minuten des irrwitzig schwierigen Gesangspart mit einer breiten Palette der Differenzierung: eine makellose, ergreifende, erschütternde Interpretation.
Weiters findet sich auf der CD Arthur Honeggers "Rugby" und das "Concerto grosso" des legendären Dirigenten Dimitri Mitropoulos. Während sich Honeggers Stück als kurze, tumultuöse Bewegungsstudie gebärdet, ist Mitropoulos Werk von Gewicht: harmonisch avancierter Neoklassizismus, in leuchtenden Farben instrumentiert mit einem spannungsgeladenen langsamen Satz und einem fast gewalttätigen Finale. Da ist wahrhaft alles da, was bedeutende Musik braucht - oder fast alles: Es fehlt lediglich der persönliche Ton, der die Musik an ihren Urheber bindet. Und doch: Welch begeisterndes Werk das ist! Eine CD, die in jede Sammlung gehört und jeden Neugierigen begeistern wird!